Liebe E, Du bist mit mir im Auto zum Kirchentag gefahren und hast unseren Stand dort auf dem Markt der Möglichkeiten mitbetreut. Ob ich mit Dir auch über diese Erlebnisse gesprochen habem die ich als Wunder erlebt habe, weiß ich nicht mehr, vermute ich aber. Aber sicher ist das für Dich so lange her, dass Du Dich auch nicht mehr an alles erinnerst, sicher auch nicht, ob wir uns damals über Wunder unterhalten haben.
Kirchentage sind ja Massenveranstaltungen mit um die 100.000 Teilnehmern und eignen sich dazu, dass man irgendwo in der Menge plötzlich ein bekanntes Gesicht sieht und darüber staunt. Solche Erlebnisse bleiben im Gedächtnis haften. In Stuttgart war es jedoch nicht nur das, was ich auch sonst schon erlebt hatte. Sieben Mal erlebte ich so ein Staunen und da es gerade sieben Mal war, wollte ich dies auch nicht vergessen. Ich erinnere mich, dass ich mir Notizen über diese für mich wunderbaren Erlebnisse machte. Ich nahm an, dass ich eine kurze Erinnerungsstütze/liste darüber in meinen Kalender schrieb. Doch als ich jetzt nachsah, fand ich darüber nichts. So will ich versuchen, mich zu erinnern.
Zum ersten Mal halfen wir am Stand der Gemeindebünde der EKBO, der Bayern und Rheinländer auf dem Markt der Möglichkeiten. Wir waren zu zweit von unserer Gemeinde und hatten ein gemeinsames Quartier in Schorndorf bei Stuttgart.
Für die Hinfahrt mittwochs benötigten wir genau 9 Stunden, wobei mich mein Navi nach dem Verlassen der Autobahn immer wieder links von der Hauptstraße runter führen wollte, doch wusste ich genau , dass Schorndorf rechts von uns lag und blieb auf Kurs. In Schorndorf selbst haben wir dann trotz Navi eine ganze Weile gesucht, bis wir unsere Gastgeberin fanden und dadurch mindestens eine halbe Stunde verloren.
Als ich am Sonntag wieder in Berlin ankam, stellte ich fest, dass wir für die ca. 700 km von Schorndorf bis nach Berlin genau die selbe Zeit gebraucht hatten, wie auf der Hinfahrt. Das war für mich ein Wunder. Wie kann so etwas bei einer so langen Strecke sein? Das war das siebente Zeichen auf dieser Reise, durch das ich meinte zu spüren, dass Gott mit uns sei.
Das erste war, dass wir am Donnerstag früh, als wir weit zu unserem Stand vom Parkhaus aus zu laufen hatten, etwa auf der Mitte des Weges den Jugendmitarbeiter unseres Kirchenkreises trafen und am Freitag früh an der gleichen Stelle noch einmal. Das gibt’s doch nicht, dachte ich.
Auch zählte ich zu diesen sieben Zeichen, dass eine Frau aus Mahlsdorf, die ich bis dahin nur flüchtig gesehen hatte, wenn sie einen Herrn aus dem Seniorenheim nebenan ab und zu beim Besuch von Konzerten und Gottesdiensten begleitete, mich erkannte, als ich von einem Rundgang durch die gegenüberliegende Messehalle zurück und an einem Kaffeestand vor unserer Messehalle vorbei kam. Wir unterhielten uns eine Weile und ich erfuhr nun mehr von ihr, so dass sie künftig für mich mehr als ein bekanntes Gesicht war. Nun wusste ich auch, woher ich sie kannte. Dazu musste man also erst nach Stuttgart fahren, weil zu Hause keine Zeit oder Gelegenheit dazu war!
Unser Stand vom Gemeindebund war direkt neben einem Eingang der großen Messehalle. Auf der Freifläche zwischen den Messehallen war eine kleine Tribüne aufgebaut, auf der ein Programm lief. Beim Vorbeilaufen entdeckte ich dort Petra Pau, die Bundestagsabgeordnete der Linken unseres Wahlbezirks und Bundestagsvizepräsidentin. Sie stellte dort ihr neuestes Buch „Die gottlose Type“ vor. Natürlich setzte ich mich dazu und lud sie im Anschluss an unseren Stand ein. Sie kam mit und hörte von unserem Anliegen. Es gab so viele große und kleinere Tribünen auf dem Kirchentagsgelände, dass sie gerade vor „unserer“ Tür ihr Buch vorstellte, war für mich ein Wunder.
Das vierte Wunder war für mich, die Begegnung mit einem Kollegen an unserem Stand, der als einziger von allen Kollegen unseres Kirchenkreises mir eine kritische Mail geschickt hatte, als ich zwei Jahre vorher ihnen meine Sorge um unsere Kirche mitgeteilt hatte. Seitdem hatten wir uns nicht mehr gesehen, um uns auszusprechen. An sich hatten wir in der Vergangenheit ein freundliches Verhältnis gehabt. Nun stellte sich heraus, dass er der Schwager unseres bayerischen Kollegen am Stand war, der die Situation in unserer Kirche genauso kritisch sah wie ich. Hier also mussten wir uns treffen, um miteinander zu reden!
Was das fünfte Wunder auf meiner Liste waren, weiß ich nicht mehr. Das sechste Wunder erlebte ich auf der Rückfahrt. Unterwegs auf der Autobahn hielt ich an einer Raststätte, um die Toilette aufzusuchen. Da kam mir ein Kollege entgegen, den ich aus Marzahn kannte, weil wir seit ein paar Jahren vom Diakonischen Werk die Aufgabe übernommen hatten, die diakonischen Träger im Stadtbezirk zu vernetzen und immer mal wieder einzuladen.
Diese Erlebnisse haben mich mit dazu bewogen, das folgende aufzuschreiben, denn meine Erfahrung zeigt mir, man kann noch so sicher sein, bestimmte außerordentliche Erlebnisse nicht zu vergessen, aber auf einmal geschieht es doch.
Himmlischer Vater, zwischen tausenden anderen Menschen plötzlich ein bekanntes Gesicht zu sehen, dass passiert gar nicht so selten. Trotzdem ist es für mich fraglich, ob dies mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung zu erklären ist. Ich jedenfalls spüre dann Dein Wirken und habe es in Stuttgart so gedeutet, dass Du uns in unserer kritischen Haltung gegenüber der sogenannten Reform unserer Kirche unterstützt hast. Habe Dank für diese Zeichen Deiner Nähe!