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Die Bibel ist, obwohl es so aussieht, kein Buch, sondern eine Bibliothek mit 66 Büchern.

Wie in einer Bibliothek, die Bücher unterschiedlich in ihr Fach gestellt werden können, so geschieht dies auch in der Bibel.

Je nach Bibelausgabe, können die Bücher unterschiedlich  angeordnet werden.

Alle Überschriften in den Inhaltsverzeichnissen sind solche sekundäre Ordnungen.

Es gibt Bibelausgaben, die mehr als 66 Bücher enthalten, nämlich noch die Aprokryphen des Alten Testaments:

So werden sie in der Einheitsübersetzung von 1979 entsprechend ihrer Literaturgattung zu den Schriften des Alten Testaments "gestellt". In anderen Bibelausgaben stehen sie in einem Teil mit extra Seitenzählung zwischen dem Alten und dem Neuen Testament, wohin sie nach ihrer Entstehungszeit gehören.

Diese Schriften, wie das Buch Judith, Tobit, die beiden Makkabäerbücher, Jesus Sirach, das Buch der Weisheit, das Buch Baruch, sowie Zusätze zu einigen anderen Büchern stehen nicht in der hebräischen Bibel, wohl aber in der griechischen Übersetzung der Heiligen Schriften der Juden, die zur Zeit Jesu gebräuchlich war, der Septuaginta.
Dadurch sind diese Schriften in vielen Bibeln enthalten. In der Reformationszeit, als die Bibel von Luther aus dem Urtext ins Deutsche übersetzt wurde, sind sie als nützlich zu lesende, aber nicht als heilig geltende Schriften aussortiert und extra zusammengefaßt worden.

Wo sollte ich in der Bibel anfangen zu lesen?

Wie ich in einer Bbliothek mir nicht vornehme, die Bücher der Reihe nach zu lesen, so wie sie im Regal stehen, sondern mir ein bestimmtes aussuche, je nach meinen Bedürfnissen und Wünschen, so sollte ich auch nicht versuchen die Bibel von vorn bis hinten durchzulesen.
Normalerweise werde ich nach den ersten paar Seiten die Bibel als langweilig wieder beiseite legen.

Warum passiert das?

In der Bibel werden viele Geschichten doppelt, dreifach oder sogar vierfach erzählt. Dies hinter einander zu lesen, ist langweilig. Nun werden die Texte aber in der Bibel nicht wortwörtlich wiederholt, sondern enthalten Abweichungen.
Genau dies ist aber das Interessante beim Lesen der Bibel. Sie stellt uns Denkaufgaben:
Warum steht dies hier so und ein paar Seiten weiter ganz anders?
So ist sie eigentlich kein Buch zum Lesen, sondern zum Nachdenken. Nachdenken aber ist anstrengende Arbeit, verbraucht nicht wenige Kalorien und kann sogar weh tun.
Denn wenn ich etwas als ein Problem ansehe und angestrengt nach einer Lösung suche, muss ich unter Umständen von eingefahrenen Denkgewohnheiten Abschied nehmen und die Sache einmal von einer ganz anderen Seite betrachten.

So ist die Bibel eigentlich ein Arbeitsbuch.

Entsprechend sind die meisten Bibeln gedruckt worden:

  • - Sie enthalten viele Zahlen. Jedes Buch wurde in Kapitel und Verse unterteilt, so dass man nach diesen Angaben jeden Satz der Bibel gut finden kann, egal welche Übersetzung oder Ausgabe der Bibel man in der Hand hält.
  • - Unter den Geschichten oder Abschnitten stehen in sehr vielen Bibelausgaben wiederum Zahlen. Sie beziehen sich auf die Verse des vorstehenden Abschnitts. Nach dem Doppelpunkt stehen andere Sätze der Bibel mit einem ähnlichen Wortlaut.
So gibt es also sehr viele Querverweise innerhalb der Bibel. Der Hamburger Pfarrer Christoph Römhild und der amerikanische Computerfachmann Chris Harrison haben diese Querverweise digital verarbeitet. Daraus ist folgendes Bild entstanden:
 
 
 


Die grauen Striche unten sind die biblischen Bücher nach der Länge ihrer einzelnen Kapitel in Versen gemessen. Die Bögen zeigen die inhaltlichen Beziehungen zwischen den einzelnen Büchern.
Dabei muss man bedenken, dass die Bibel innerhalb von mehr als 1000 Jahren entstanden ist, in der Zeit zwischen ca 1200 vor Christus und ca. 100 nach Christi Geburt. Wenn ich sie in die Hand nehme, habe ich ein Werk vor mir, wie es kein zweites auf der Welt gibt! In diesen mehr als 1000 Jahren ihrer Entstehung haben an  dieser Bibliothek tausende und abertausende Menschen mitgeschrieben und sie immer wieder abgeschrieben. Dadurch ist Lebensweisheit hier eingeflossen, wie in keinem anderen Buch auf dieser Welt. Auch wenn ich mir Gott nicht vorstellen kann, kann es nur nützlich sein, diesen Schatz in die Hand zu nehmen und zu lesen.
 
Die Bibel - ein demokratisches Buch
 
In der Bibel werden unterschiedliche Meinungen bzw. Darstellungen von Ereignissen zugelassen. Darum ist das Nebeneinanderstehen von verschiedenen Versionen einer einzigen Geschichte für uns Heutige oft ein Problem, das uns an der Wahheit der Heiligen Schrift zweifeln lässt. Lieben wir es doch eindeutig. Ausserdem wollen wir genau wissen, wann und wo etwas stattgefunden hat, nur dann ist es für uns wahr. Genau darüber aber schweigt die Bibel sehr oft. Stattdessen werden unterschiedliche Sichtweisen ein und desselben Geschehens überliefert, so viermal das Leben Jesu in den Evangelien und dazu noch die Briefe des Paulus mit einigen wenigen Aussagen ueber diese Zeit.
 
Die Geschichte der Könige Judas wird zweimal überliefert, einmal gemeinsam mit der Geschichte der Könige Israels und einmal ohne diese in den Chronick-Büchern. Die Schöpfungserzählung steht gleich auf den ersten Seiten der Bibel doppelt, einmal als Erschaffung der Welt in sechs Tagen und dem siebenten Tag als Ruhetag, dann diejenige von Gott als einem Handwerker, der aus Erde den Menschen formt und ihm seinen Geist einhaucht. Den Höhepunkt findet dieses anerkennen unterschiedlicher Sichtweisen in der Noahgeschchte. Zwei Erzähler fallen sich bei ihr immer wieder gegenseitig ins Wort. Der eine erzählt von zwei Tieren, die Noah von jeder Art mit in die Arche nahm, der andere, dass er sieben von den reinen Tieren nahm und zwei von den Unreinen.
 
Auch unsere Weihnachtsgeschichte hat zwei völlig verschiedene Versionen. Bei Matthäus steht Josef im Mittelpunkt. Mit ihm spricht Gott durch Engel und Träume. Der Weg der Familie führt von Bethlehem durch die Flucht nach Ägypten und von dort nach Nazareth im Norden. Ganz anders Lukas: Die Familie wohnt in Nazareth und kommt nur aufgrund der Volkszaehlung nach Bethlehem und kehrt von dort über Jerusalem wieder zurück nach Nazareth in Galiläa. Im Mittelpunkt der Handlung steht diesmal Maria, die Mutter Jesu.
 
Für uns moderne Leser ist das verwirrend und erzeugt Glaubenszweifel. Dabei geht es nicht um richtig oder falsch. Wer hat recht? Lukas oder Matthäus? Stattdessen wird unser Blick vom Unwesentlichen auf das Wersentliche gerichtet und darin sind sich Matthäus wie Lukas einig: In Jesus kam Gott auf unsere Welt und war als solcher nicht willkommen. Es war kein Platz für ihn. Vor allem fühlten sich die Herrschenden von ihm bedroht. So teilt Gott das Schicksal der kleinen Leute auf dieser Welt, in der es scheinbar immer um Geld (Steuern) und Macht geht. Und doch ist das Leben dieser Menschen eingebunden in die ganz grosse Weltpolitik durch die Nennung der Namen des römischen Kaisers, durch den Hinweis auf die Erscheinung des Sterns und die Nennung von Königen und Statthaltern. Von Befreiung ist die Rede, von Rettung.
 
So fiel es dem Volk zu allen Zeiten nicht schwer aus diesen zwei unterschiedlichen Geschichten eine Harmonie zu machen und so eine dritte Geschcihte zu erzählen, in der sowohl die Hirten wie die drei Weisen aus dem Morgenland ihren Platz haben. Denn inhaltlich, von ihrer Botschaft her, entsprechen sich beide Geschichten.
 
Da in früheren Zeiten diese Botschaft wichtig war, störte man sich nicht an den historischen Ungereimtheiten. Die Botschaft einer Geschichte aber kann erst hörbar werden, wenn sich der Leser/Hörer selbst mit hinein in die Geschcihte nimmt und sich in ihr selbst wieder erkennt, z.B. in dem Vater Josef, der durch die Geburt seines ersten Kindes vor eine so grosse Aufgabe gestellt wird, Frau und Kind durch die Flucht in ein fremdes Land zu retten.
In Predigten wird bis heute genau dies gezeigt, wie diese alten Texte zum Leser/Hörer heute sprechen, was sie uns heute zumuten, wo sie uns Augen öffnen und Wege zeigen, wo bisher keine für uns waren.