Aus unserem Vorhaben wird nichts. Gott hat einen besseren Plan
Lieber Herr Schröder, wahrscheinlich habe ich Ihnen damals nicht erzählt, dass Ihr Angebot für mich ein Wunder war, denn die Sache hatte ein Vorspiel:
Junge Männer hatten mir erzählt, dass zur Jahrtausendwende in Rio de Janeiro die größte Silvesterparty der Welt stattfinden würde. Da dachte ich, dass das ja eigentlich der 2000. Geburtstag Jesu sei und wir als Christen das auch entsprechend feiern sollten. Von einem Westberliner Kollegen hatte ich Jahre vorher erzählen gehört, dass sie ihr Gemeindeblatt an alle Haushalte ihres Gebiets verteilten. Wir wären damals froh gewesen, wenn wir geschafft hätten, es allen unseren Gemeindegliedern zu bringen. Das waren in den Elfgeschossern hier in Marzahn in einem Aufgang im Durchschnitt ein bis zwei von 33 Parteien.
Aber angesichts des großen Jubiläums dachte ich, könnten wir ja mal einen Brief an alle Haushalte schreiben. Das würde einiges kosten. Unsere Gemeinde selbst hatte nicht viel Geld, dafür aber große Ausgaben noch vor sich: den Kauf des Grundstücks, auf dem das Gemeindezentrum gebaut worden war. Jedoch hatte ich in der Kirchenzeitung von der Möglichkeit gelesen, Geld aus dem Missionarischen Fonds der Landeskirche zu beantragen. Das haben wir getan.
Das Geld für die Briefaktion wurde nicht genehmigt. Wahrscheinlich gab es zu viele Antragsteller. Doch mich erreichte die Anfrage von Ihnen, dem Chef der Marzahner Zeitung, ob wir einmal im Monat eine ganze Seite mit dem Titel „Gott und die Welt“ in Ihrer Marzahner Zeitung haben wollten. Nun hatte mir schon im Blick auf die Briefaktion ein älterer Kollege gesagt: „So etwas nur ökumenisch!“ Das hatte ich noch im Ohr und habe ihn und den Arbeitskreis Christlicher Kirchen Marzahns sofort mit einbezogen. Das Ergebnis war, dass ein Redaktionskreis entstand, der sich monatlich traf und die Ausgabe vorbereitete. – Insgesamt acht Jahre lang hatten wir so eine ganze Zeitungsseite, die an alle Haushalte Marzahns und später auch Hellersdorfs verteilt wurde, viel, viel mehr als wir mit meinem Antrag, erreicht hätten!
Ich hatte in der Folgezeit allerhand Ärger zu verkraften und schlaflose Nächte, - das ist eine andere Geschichte - aber umso mehr habe ich das Angebot, eine Seite der MAZ zu gestalten, als eine himmlische Antwort und als ein Geschenk verstanden, viel größer, als ich mir das je hätte vorstellen und wir als Gemeinde hätten finanzieren können. Als es in späteren Jahren der Zeitung wegen fehlender Werbeeinnahmen finanziell schlechter ging und sie nicht mehr so häufig erschien, fragten wir mal, ob wir nicht die Seite bezahlen könnten, aber Sie als Besitzer der Zeitung sagten: „Das könnt Ihr sowieso nicht bezahlen. Darüber brauchen wir nicht reden.“ Sie mussten bald darauf die Zeitung einstellen. Lange gab es hier kein auch nur annähernd vergleichbares, informatives Blatt mit Ortsnachrichten aus dem Stadtbezirk, das alle Haushalte kostenlos erhalten. Schade! Unsere Verbindung zu Ihnen blieb jedoch noch etliche Jahre erhalten.
Diese Geschichte gehört zu dem Wunderbaren, was ich erlebte. Mein eigenes Vorhaben wurde nichts. Gott hatte ein besseres. Wir haben unsere Seiten „Gott und die Welt“ in drei großen Mappen im Archiv der Gemeinde aufgehoben. Es war oft nicht einfach, die Seite mit Artikeln voll zu bekommen. Zu oft tauchten immer die selben beiden Namen auf: meiner und der meines älteren Kollegen. Von anderen Gemeinden Berichte zu erhalten war oft schwer. Andererseits hörten wir von den anderen Redaktionsmitgliedern, vor allem von den Biesdorfern und aus der katholischen Gemeinde vieles, von dem wir sonst nichts gewusst hätten. So ist etwas gewachsen, was bis heute Frucht bringt, einfach weil wir uns durch die gemeinsame Arbeit kennen.
Himmlischer Vater, ich danke Dir für diese Erfahrung und für die Bekanntschaft mit Michael Schröder. Viel habe ich von ihm gelernt, wenn ich mal die Redaktion der Seite hatte. Dann ist er mit mir alle Texte durchgegangen, hat jedes Füllwort gestrichen, Zahlen bis zwölf ausgeschrieben, Sätze gekürzt und gezeigt, wie man etwas prägnanter ausdrücken kann. Früher war ich oft entmutigt, wenn meine Texte nach dem Korrigieren so bunt aussahen, aber nun wusste ich, das das zum Handwerk gehört. Wichtig ist, dass es gelesen und verstanden wird.
Herr, Du hast uns so reich beschenkt, mit dieser Chance, diese monatliche Seite zu gestalten. Doch unsere eigenen Möglichkeiten waren sehr beschränkt. Gern hätten wir es gesehen, wenn die Seite noch interessanter geworden wäre. Vergib uns unsere Schwachheit, unser Unvermögen, unsere Phantasielosigkeit, dass wir diese Chance nicht noch mehr genutzt haben.
Danken möchte ich Dir auch für die Ermutigung, durch die wir merkten, dass unsere Seite wirklich gelesen wurde. Da hatten wir in einer kurzen Notiz den Hinweis gegeben, dass bei uns im Gemeindezentrum ein Aushang war, in dem die aktuellen Job-Angebote der Diakonie zu lesen waren, und dabei neben anderen gefragten Berufen auch den des Hausmeisters genannt. Daraufhin wurden nicht nur wir, sondern auch die Zentrale in Steglitz mit Anfragen wegen einer Stelle als Hausmeister überrannt. Das Ergebnis war, dass die Stellenausschreibungen nicht mehr veröffentlicht wurden und so unser Aushang verschwand. Auch weiß ich nur von einer Person, dass sie aufgrund unserer Aktion je Arbeit gefunden hat.Für mich war dies ein Zeichen, wie händeringend die Menschen nach Arbeit suchten. Inzwischen sind die Stellenanzeigen wieder da, lange, lange Listen. Aber die Bewerber sind rar. Herr, erbarme Dich all jener, die so gern arbeiten würden, wenn sie nur eine finden könnten, und erbarme Dich all jener, die dies zu organisieren haben.
Himmlischer Vater, Du siehst jeden Einzelnen. Du kennst sie alle, die wir enttäuscht haben, die ich enttäuscht habe. Sie erhofften mehr, als wir geben konnten. Herr, Du hast uns gezeigt, dass Du mehr kannst, als wir erbitten und erhoffen.