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Am 31. Oktober 2017 waren es 500 Jahre her, dass Martin Luther seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg schlug.

2007 begann die Dekade der Vorbereitung auf dieses Fest mit einem jährlichen Themanjahr.

2006 gab die EKD mit der Programmschrift "Kirche der Freiheit" das Signal für den Rückbau unserer evangelischen Kirche in Deutschland, wie der Prozess von Thies Gundlach, dem maßgeblichen Verfasser dieser Zukunftssicht von Kirche, heute bezeichnet wird.

<-  Links finden Sie Kritisches zu dem inzwischen schon weit gediehenen Prozess. Vor allem stelle ich die allgemein vorausgesetzten Behauptungen infrage: das demographische Problem, die angeblich abnehmenden Finanzmittel der Kirchen, die Alternativlosigkeit des bisherigen Weges...

Hier im folgenden mache ich Sie mit anderen Sichtweisen der Probleme bekannt, auf die ich aufmerksam gemacht wurde und die mich überzeugt haben, weil sie dem Weg Jesu entsprechen.

 

Zuerst lesen Sie hier meine Schlussfolgerungen
aus den Vorträgen und Diskussionen des

 

Internationales Symposiums

"Mittendrin! Kirche in peripheren, ländlichen Regionen"

Greifswald vom  23.-25. Mai 2013.

 

Anschließend folgen meine Mitschriften von den Vorträgen.

 

Zuerst der Blick nach draußen: Wie geht es den Menschen?

 

- Interessant war für mich als Ossi das Erzählen des Geographs Gerhard Henkel über die Entwickung des Dorfes im Westen Deutschlands, wie ähnlich war doch die Entwicklung trotz der so unterschiedlichen Gesellschaftssyteme.

- Wenn so viele Dörfer heute beim Aussterben sind, dann ist es nicht verunderlich, dass auch Kirchengemeinden sterben. Dann brauchen sie Sterbebegleitung und würdige Beerdigungen durch die Nachbarn, auf keinen Fall aber die Frage: Was habt ihr falsch gemacht, wie könnte man es besser machen, um doch noch Menschen zu erreichen.

- Das Gemeinden kleiner werden und geworden sind, sagt nichts über ihre geistliche Vitalität aus. Das zeigten die Beispiele von alten Frauen, für die sich der Gottesdienst nicht mehr „lohnt“ und die dann anfangen gemeinsam zu beten bzw. zu sehen, wo sie jemandem helfen können und wie daraus wieder neu Gemeinde wächst, ebenso wie die Beispiele von kreativen Nutzungen von Kirchen oder der Übernahme einer Tankstelle oder der Post durch die Gemeinde.

 

Welches Bild von Gemeinde und den Haupt- und Ehrenamtlichen tragen wir/ ich in uns/mir? Muss ich davon Abschied nehmen, es korrigieren?

 

- Wie geht es den Ehrenamtlichen bei uns und in anderen Bereichen der Gesellschaft?

 

Wichtig ist es, die Auswertung der Bundesregierung zur Kenntnis zu nehmen, den Hauptbericht des Freiwilligensurveys 2009 !

 

Was bedeutet ehrenamtliche Arbeit heute und hier in der Gesellschaft für den Einzelnen?

- Kennen wir die Charismen unserer Gemeindeglieder und Gemeinden? Nutzen wir sie, um unsere Pläne zu verwirklichen oder achten wir darauf, dass sie sich entfalten können zum Nutzen aller?

 

- Wichtig ist, dass wir uns freimachen von dem Fragen nach der bloßen Zahl von Gemeindegliedern bzw. nach dem zur Verfügung stehenden Geld.

 

- Die Mangelbeschreibung – fehlendes Geld, fehlende Hauptamtliche, fehlende Gemeindeglieder - darf darum für uns kein Argument mehr sein für Strukturveränderungen, sprich Zusammenlegungen von Gemeinden bzw. Kirchenkreisen.

 

- Reden wir unsere Krise nicht selbst herbei? Ist es nicht eigentlich eine Glaubenskrise? Jesus hat vorwiegend auf dem Lande gewirkt, in der hintersten Provinz, in Galiläa! Dort berief er seine Jünger.

 

- Trauen wir Gottes Geist etwas zu? Haben wir den Mut zum Risiko und zu eigener Kreativität auch Ungewohntes zu versuchen, nicht Perfektes zu leisten, unbekannte Wege zu betreten? Nehmen wir Abschied von dem Wunsch nach Überschaubarkeit unseres Gebietes, unserer Aufgaben... ? Das Bild vom Befehlshaber (R. Bucher - s.u.), der Überschaubarkeit benötigt, sollte uns zu Denken geben. Es ist ein Abschied auch von der Kontrolle des uns Anvertrauten und ein Zulassen von Freiheit, damit etwas wachsen kann.

 

Stehen wir den Menschen die Freiheit zu, die sie so wieso haben oder hängen wir den alten Bildern von einer Amtskirche immer noch an? Kann das Bild eines Krankenhausseelsorgers vor der Tür eines Patientenzimmers uns dienen, die Situation auszuhalten, dass ich nie weiß, ob ich abgewiesen werde oder meine Botschaft willkommen ist, aber trotzdem immer wieder anklopfe?

 

Wie können wir den Konsumismus der Menschen als ihre Hauptreligion heute konvertieren, sie auf ihre wirklichen Sehnsüchte ansprechen und ihnen das näher bringen, was sie wirklich brauchen? Wichtig ist vor allem unsere eigene Glaubwürdigkeit, als Person, als Gemeinde und Kirche? Wie halten wir es mit dem Konsum?

 

Das Bedürfnis, als Christen miteinander die Freizeit zu teilen, entstanden im 19. Jahrhundert, hat zur Entstehung der „Kerngemeinde“ geführt. Sie kritisch zu sehen, war mir neu, ebenso die Nichtchristen vor Ort mit in das theologische Nachdenken über Gemeinde als dritten Kreis miteinzubeziehen und die vielen dazwischen, unsere „Karteileichen“, die Namenschristen, so positiv einzuschätzen, wie es Albert Rouet tat. Gerade sie als Bindeglieder zwischen dem ersten und dritten Kreis ernstzunehmen und anzusprechen, erscheint mir sehr lohnend, zu mal sie es ja oft sind, die die praktische Arbeit der Nächstenliebe in der Gemeinde verwirklichen. Neue Strukturen mit ihnen und auch denen aus dem dritten Kreis, den Nichtkirchenmitgliedern aufzubauen, in denen sie mitwählen dürfen und gewählt werden können, wie in der Diözese von Poitiers geschehen, erscheint mir sehr sinnvoll.

 

Die immer wieder wiederholte Forderung von mehr Bildung in Glaubensfragen kann nur auf wirklich fruchtbaren Grund fallen, wenn sie die Entfaltung der Charismen der Gemeindeglieder und der Gemeinschaft untereinander fördert. So darf nicht Stolz über erlerntes Wissen bzw. wie etwas richtig sei oder gemacht werde, aus der Bildung erwachsen, sondern Demut und Dankbarkeit angesichts der Wunder der Schöpfung und der Art, wie Gott mit uns Menschen redet, sollten die Kennzeichen gelungener Bildung sein, ebenso wie das weitere Fragen und Forschen und die gestärkte Gemeinschaft untereinander.

 

 

Die Betonung der Freiheit der heutigen Menschen beeindruckte mich. Wir sollten endlich Abschied nehmen von dem Bild einer Amtskirche, sowohl in den Selbstbezeichnungen unserer Binnensprache (Amtszimmer, Kirchenamt, Verwaltungsamt, Amtshandlungen...) wie in unseren Forderungen an unsere Gemeindeglieder im Blick auf den amtlichen Nachweis ihrer Mitgliedschaft und die Betonung ihrer durch Amtshandlungen erworbenen Rechte und Pflichten. Die Menschen heute sind frei und sie nutzen ihre Freiheit, z.B. um aus unserer Institution auszutreten, und sie verbinden ihren persönlichen Glauben nicht mehr mit unserer Institution,  selbst wenn sie Kirche finanziell durch die Kirchensteuer unterstützen, indem sie Mitglied bleiben.

 

Darum sollten wir ihnen diese Freiheit auch gewähren durch den Verzicht auf die Kirchensteuer und die Bitte um freiwillige Unterstützung der Kirche. Die Einführung einer alternativen Kultursteuer wie in Italien oder / und die Übertragung der Verantwortung für den Erhalt der (denkmalsgeschützten) Kirchengebäude an den Staat/ die Kommune (wie in Frankreich) wären Möglichkeiten, die historisch gewachsene Baulast wieder institutionell in die Verantwortung der einstigen Erbauer und Bauwerksunterhalter zu übertragen.

Nur durch die Abschaffung der Kirchensteuer können wir als Kirche unsere beim Symposium so betonte größte Krise als Kirche überwinden, unsere mangelnde Glaubwürdigkeit. Dazu gehört auch die Offenlegung der Finanzen einschließlich der Rücklagen wie der Art ihrer Anlage sowie der sozialen Sicherungen, wie z. B: der Versorgungskassen für Pfarrer und Kirchenbeamte.

 

Wichtig für meine Arbeit erscheint mir, künftig die Vielfalt in der Gemeinde und ihrer Umwelt noch stärker in den Blick zu nehmen und darauf zu achten, dass sie zur Kenntnis genommen und als äußerst wichtiger Wert erkannt wird. Vielfalt behindert die Überschaubarkeit. Darum u.a. sind gerade wir Hauptamtlichen in der Gefahr, sie einzudämmen und dadurch Menschen mit ihren Gaben auszuschließen, wenn sie nicht unseren eigenen Gaben gleichen oder sie ergänzen.

 

Bei gegenseitigen Besuchen von Gemeinden sollten wir nach Folgendem fragen
und so unseren Blick schärfen für die eigene Gemeinde:

 

- Welche Altersgruppen sind in der Gemeinde aktiv, welche Berufsgruppen, soziale Gruppen,...? Wie weit wohnen sie auseinander? Wie sind die Verkehrsanbindungen? Ist also Kommunikation unter ihnen möglich? Wo treffen sie sich noch im täglichen Leben? Welche Außenkontakte bringen die Gemeindeglieder mit, welche Geschichten verbinden sie mit anderen von draußen?

 

- In welchen Strukturen erfolgt die Kommunikation untereinander, getrennt nach Frauengruppe, Jugendgruppe...? Nehmen sich die einzelnen Kreise/Gruppen untereinander wahr? Gibt es ein Interesse aneinander? Wer ist im Gemeindekirchenrat vertreten?

 

- Welche offiziellen kontinuierlichen oder gelegentlichen Kontakte gibt es zu anderen Institutionen, Vereinen, Gewerbetreibenden usw. vor Ort?

 

- Mit welchen Anliegen kommen Fremde in die Gemeinde/Kirche? Werden diese Anliegen von der Gemeinde ernst genommen? Kommt es zu erneuten Kontakten?

 

Hilfreich ist es sicher, sich die Vielfalt einer Gemeinde einmal aufzumalen: gibt es die Gegensätze von arm und reich, schulisch hoch gebildet und wenig gebildet, Wessi und Ossi, Einheimischer und Ausländer, Arbeitsloser, Angestellter, Freiberuflicher, Praktikant, Frührentner und „Spätrentner“,....

 

- Wie können wir die diakonische Arbeit in der Gemeinde stärken als eine Hilfe vor allem für Menschen in der Gemeinde und ihrem direkten Umfeld, nicht nur durch das Spenden von Geld?

Sehen wir die Not der Menschen? Hören wir ihr zu? Nehmen wir ihre Not ernst, oder schieben wir sie von uns mit dem Hinweis auf ein Jammern auf hohem Niveau und den Hinweis auf die Menschen in Afrika usw., die uns zeigen, was wirklich Not sei?

 

Es folgen hier konkrete Fragen bei Gemeindebesuchen:

Folgendes könnte bei Gemeindebesuchen - in Auswahl-  erfragt werden, um den Blick auf die eigene Gemeinde zu schärfen:

 

1. Welche Vielfalt ist in der Gemeinde anzutreffen?

 

- in den Gottesdiensten

 

- bei Taufen, Konfirmationen,Trauungen, Beerdigungen

 

- in den Kreisen, Gruppen und Veranstaltungen

 

- in der Zusammensetzung der Mitglieder laut Datei

 

- im Wohnumfeld der Gemeinde

 

- bei den Besuchern der Kirche (Touristen...)

 

- in Frömmigkeitsformen

 

- in den ökumenischen Kontakten

 

- in den fremdsprachlichen Kompetenzen der Gemeinde

 

- im Blick auf den sozialen Status (Lehrling, Praktikant, Freiberufliche, Selbständige, Rentner, Hartz IV, Frührentner..)

 

- in den Bildungsabschlüssen der Gemeindeglieder

 

- in der beruflichen Zusammensetzung der Gemeinde

 

- im Altersspektrum der Gemeinde

 

- in der familiären Situation

 

- im Blick auf die Gesundheit und Behinderungen (psychisch, physisch, dementiell)

 

- im Blick auf Süchte

 

- im Blick auf Straffälligkeit

 

2. Mit wem ist die Gemeinde formell oder informell vernetzt (außer Kirchenkreis und Kreissynode)?
Wie und wann erfolgt die Kommunikation?

 

- mit den Nachbargemeinden

 

- mit anderen kirchlichen Einrichtungen

 

- mit Partnergemeinden

 

- mit Gemeinden aus der Ökumene

 

- mit diakonischen Einrichtungen:

 

- mit anderen freien christlichen Trägern

 

- mit anderen Vereinen, Institutionen vor Ort

 

- mit Ärzten

 

- auf kommunaler Ebene

 

- zu direkten Nachbarn

 

- mit Schulen, Kindergärten, Berufsschulen

 

- mit Sportclubs...

 

- auf Landesebene

 

- mit dem Bereich von Gemeinwesen orientierter Arbeit

 

- im kulturellen Bereich

 

- im Naturschutz und der Landschaftspflege

 

- mit Medien wie lokalen Zeitungen

 

- Veranstaltungskalender im Internet

 

- soziale Netzwerke im Internet, Blogs u.ä...

 

- mit Gewerbetreibenden

 

- mit dem Handel

 

- mit Wohnungsbauunternehmen

 

- mit Industrieunternehmen

 

- mit Forschungsunternehmen, Universitäten, Hochschulen

 

- mit Verkehrsbetrieben

 

 

3. Wie wirkt sich diese Vielfalt und dieses Beziehungsnetz aus:

 

- auf das Verständnis der biblischen Botschaft

 

- das Leben des eigenen Glaubens

 

- und die Weitergabe unserer Botschaft an die nachwachsende Generation

 

und Menschen von außen?

 

 

4. Wie werden die durch die Vielfalt vorhandenen Gegensätze und Widersprüche genutzt,

 

- um offene Gespräche darüber zu führen?

 

- Wie wird ihnen Raum gewährt?

 

- Wie viel Zeit wird dem gewidmet?

 

- Wird dies dokumentiert oder sonst öffentlich nutzbar gemacht?

 

- Wird Versöhnung und Vergebung erfahrbar?

 


 

Die Tagung ist inzwischen dokumentiert und als Band 32 der "Beiträge zur Evangelisation und Gemeindeentwicklung"  „Mittendrin! Kirche in peripheren, ländlichen Regionen“  im Buchhandel erhältlich.

 

 

bei Vorträgen und Diskussionen
Mitgeschriebenes
von Katharina Dang:

 

Gerhard Henkel (Geograph, Essen-Duisburg):
Der ländliche Raum im Wandel 1950 bis heute. Merkmale, Leitbilder und Potentiale

 

Phase von 1945/50-1965:

1953 Flurbereinigungsgesetz

 in der DDR 52-60 Kollektivierung

 

Phase 1965-1975:

Kommunale Gebietsreform: Eine in Jahrhunderten gewachsene Selbstverwaltung wurde von oben zerschlagen. 250.00 ehrenamtlich tätige Menschen wurden aus den Gemeinderäten ausgeschlossen und nicht mehr gebraucht. Es kam dazu auf Forderung des Deutschen Städtetages.

(Trotz der Erkenntnis, dass die Gebeitsreform ein Fehler war, wurde die Gebietsreform nach der Wiedervereinigung auch in den neuen Bundesländern durchgeführt.)

Samstags, die Straße zu fegen, war nicht mehr erlaubt. Es war eine Phase, in der das Ehrenamt systematisch zerstört wurde.

Ab 1975 begann das europäische Denken und Deutschland bekam von Europa her den Auftrag, sich um seine Geschichte zu kümmern. Bis dahin war das Dorf ein Verkehrshindernis, nun wurden Schwellen gegen schnelle Autos gebaut. Es wurde der Wettbewerb ausgerufen: „Unser Dorf soll schöner werden.“

Es entstanden Bürgerinitiativen zum Erhalt von Baudenkmalen.

1990 bis heute: Entdeckung der Potentiale der Dörfer, Renaissance der Heimat- und Kulturvereine, Abwanderung der Gebildeten, aber ihr Herz blieb in der Heimat.

Prof.: Henkel betonte:  Gerade die kleinen Dörfer haben eine Chance!

Viele Genossenschaften wurden neu gegründet. Viele wollen jetzt Bioenergiedörfer werden. Es gibt viele Programme für Mehrgenerationen-Häuser.

ab 2005/2010: Die gegenwärtigen Krisen verlangen nach neuen Leitbildern und Weichenstellungen.

 

Das Dorf tue den Menschen gut: Naturverbundenheit, Gemeinschaftsorientierung, Überschaubarkeit, Ruhe. Kirchengemeinden seien ein wichtiger Träger der Bürgergesellschaft.

Minister Tiefensee habe gesagt: Wir geben kein Dorf auf!

 

 

Mitgeschriebenes beim Vortrag von Martin Alex (Greifswald): Mittendrin – Kirche in peripheren ländlichen Regionen

 

Fast die Hälfte der Fläche Deutschlands besteht aus peripheren oder sehr peripheren Räumen. Betroffen sind vor allem die EKM, EKBO, Anhalt, Nordkirche, Hannover, Bayern und Kurhessen-Waldeck. So sank die Kirchenmitgliedschaft in Deutschland in den Jahren von 2003-2011 um 9 %, in Anhalt jedoch um 26 %.

 

Die in der Kirche tätigen Ehrenamtlichen sind nach einer EKD-Studie zu mehr als der Hälfte auch außerhalb der Kirche aktiv. Häufig wird ihnen gesagt, sie sollten die wegbrechenden Hauptamtlichen ersetzen. Sie erhalten aber nicht mehr Rechte und Freiräume. Sie müssen mehr finanziell gefördert und ihnen müssen mehr Rechte eingeräumt werden.

 

 

Mitgeschriebenes beim Vortrag von Thomas Schlegel (Greifswald):

 

Er wertet das EKD-Papier: „Wandeln und Gestalten“ positiv.

 

Eine Lösung für alle, das war gestern. Es sei eine neue Sensibilität für Sozialräume entstanden.

 

Die Peripherisierung des Landes sei die Rückseite der Verdichtung der Städte. Je kleiner und je weiter die Dörfer von den Großstädten sind, je mehr schrumpfen sie. Er zitiert H. Bude: Die Helden der Arbeit von gestern/ das Industrieproletariat auf dem Lande sei der Überschuss von heute.

 

Der ländliche Kontext heute sei eine missionarische Herausforderung.
 

Er zitierte Eberhard Hausschild: Kirche müsse verstanden werden als Institution, Organisation und Bewegung. Als Institution nimmt ihre Bedeutung heute ab.

 

Jens Kersten u.a. fragen: Abschied vom Wohlfahrtsstaat? Es werde vom Übergang vom sorgenden zum gewährleistenden Staat geredet. Gesellschaft müsse lernen, mit neuen Formen der Verantwortung umzugehen, entsprechend die Kirche. Sie brauche eine neue Haltung zu Handlungsverantwortlichkeit und Bereitschaft, mit Risiken zu leben.

 

Der Soziologe Richard Hilmer weise auf die Freiwilligensurvey der Bundesregierung hin, die seit etlichen Jahren durchgeführt wird. Ihr liegt eine sehr breite Definition von Ehrenamt zugrunde.

 

Voraussetzung für ehrenamtliche Tätigkeit sei Bildung, zeitliche Verfügbarkeit und eine Infrastruktur (Räume, usw.)

 

In Deutschland seien 36 % aller Bürger ehrenamtlich aktiv, in Pommern und Sachsen-Anhalt nur 26 %, in den NBL zwischen 26 und 33 %, in den ABL 31-44 %).
 

Ehrenamt stärke die Zufriedenheit mit sich selbst, das Vertrauen in die Mitmenschen, Arbeitskollegen und Nachbarn.

 

In den NBL sei das Vertrauen in den Rechtsstaat, die Demokratie und die Soziale Marktwirtschaft gering. Bürgerinitiativen seien in den NBL stärker mit 55 %, Kirchen haben mit nur 15 % statt wie in den ABL 30 % am Ehrenamt Anteil. Das durchschnittliche Haushalts-Netteo-Einkommen sei in den NBL 2180 €.

Die Anzahl der Vereine an einem Ort weise auf ein gutes Wir-Gefühl. Sie seien für die soziale Integration enorm wichtig. Ehrenamtliche entwickeln ein Wir-Gefühl, Nicht-Engagierte dagegen tiefsitzende Frustrationen. Fördernd sei öffentliche Anerkennung.

Ehrenamtliches Engagement werde durch Arbeitslosigkeit gehemmt, die zum Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben führe, zu Resignation und Zukunftsängsten, zum Weggang der Gebildeten und der Jugend.

Es bedürfe hier eines Mindestmaßes von finanzieller Unterstützung.

Das Engagement der Ehrenamtlichen in den NBL sei höher als im Westen, während ihr prozentualer Anteil an der Bevölkerung geringer sei (s.o.). Die Engagierten sind deutlich älter und belasteter.

In der anschließenden Diskussion wurde betont, dass für die Ehrenamtlichen die Möglichkeit und das Gefühl etwas zu bewirken das wichtigste Kriterium sei, noch mehr als öffentliche Anerkennung.

Kirche sei eine Empathie-Schule. Sie ermögliche Identität. Der Gemeinderat ist schon durch die Gebietsreform weg, die Schule ist weg und nun auch die Kirche? Die Menschen lieben ihre Heimatkirche. Vernetzung erfolgt nicht nur im kirchlichen Bereich. 

Es wurde auf die Ehrenamtspauschale hingewiesen, ohne dass dies fachgerecht erläutert wurde. Es gäbe Untersuchungen vom Übergang aus dem Ehrenamt ins Hauptamt. Im Dorf werde gefragt: Was machen wir? In der Stadt: Wer hat die Verantwortung? Wer hat die Schuld?

Die Anerkennungskultur für das Ehrenamt muss würdig sein! Keine Ehrenamtsnadeln!

 

Kirchturmdenken sei etwas sehr Positives!


 

Mitgeschriebenes beim Vortrag  von Bischof Ralf Meister (Hannover):
Kirche in der Fläche. Anfrage an kirchenleitendes Handeln


Für die Menschen sei ihr Ort nie peripher!

Die Grundhaltung der meisten Menschen sei: Ich gehe zwar nicht hin, aber es ist gut, dass die Kirche da ist. Die Kirche habe wie Klöster die Funktion, den Glauben zu erhalten. Wo sich Kirche nicht als Gegenkultur inzeniere, sondern sich mit Vereinen usw. vernetze, werde sie wahrgenommen.
 

Bischof R. Meister  ging von einer Situation knapper werdender Ressourcen aus.

 

Pastoren seien oft die einzigen mit einer Schlüsselkompetenz in Milieu übergreifendem Dialog und Konfliktbewältigung und im Stande integrativ zu wirken.

 

Nicht hoch genug zu schätzen sei das ehrenamtliche Engagement. Es sei in der evangelischen Kirche weitgehend stabil geblieben, siehe den Ehrenamtbericht der Bundesregierung. Gläubige Menschen gäben auch finanziell mehr als andere.

 

Kleine kirchliche Gemeinschaften hätten eine große Initiativkraft und seien ein wichtiges Zukunftspotential in ländlichen Regionen, die von Abschiedszenarien bestimmt sind. (17 evang. Klöster in der hannover. Landeskirche)

Trost brauche aufmerksame Weltwahrnehmung, Nähe und Hoffnung in einer recht zukunftsarmen Welt. Kirche müsse diese Aufgabe wahrnehmen.


 Mitgeschriebenes beim Vortrag  und Abgeschriebenes aus der Zusammenfassung von Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit (Greifswald):  „Land, Land, Land, höre das Wort des Herrn!“ (Jer. 22,29). Ekklesiologische Akzente für die Kirche im ländlichen Raum


 Großes Problem sei der Landaufkauf als Geldanlage.

 

„Denke ländlich! Im ländlichen Raum dürfen keine städtischen Vergleichsparameter angelegt werden.“

 

„Jesus wirkte vor allem im ländlichen Galiläa!“
 

„Gemeinde ist dort, wo Menschen im Namen Jesu zusammenkommen, miteinader beten, singen, Abendmahl feiern, füreinader da sind, einander und anderen helfen.“ Hinweis auf Jan Hermelink, den zur Zeit einflussreichsten Praktischen Theologen.

 

„Die institutionelle Gestalt der Kirche erwächst aus dem gottesdienstlichen Geschehen von Gemeinde und ist darauf ausgerichtet, dieses Geschehen selbst wiederum zu fördern, zu verstetigen und zu ermöglichen. Darum kann die institutionelle Gestalt der Kirche nicht zufällig bleiben, sondern muss sich selbst am Evangelium messen lassen. (Barmen III) Kirchliche Strukturen sind eine bleibende menschliche Gestaltungsaufgabe.“

 

„Es braucht in möglichst vielen Orten verbindliche Keimzellen gemeindlichen Lebens.“ Das Leben in den Gemeinden sei meist volkskirchlich geprägt, das sah er negativ.

 

„Für die Gemeinden ist wichtig, wahrzunehmen, dass die Gemeinde nicht da ist, wo der Pastor ist, sondern wo Menschen sich im Namen Christi versammeln. Den jeweiligen Gemeindekernen wird daher auf dem Lande in Zukunft stärker die Aufgabe zukommen, die Gemeinde an sich zu präsentieren, sowohl nach innen, wie nach außen.“

 

Nicht selten kommen zu den Gottesdiensten nur 2-10 Besucher. Deshalb bedarf es vielfältiger Versammlungsmöglichkeiten.

„Unsere vielen Dorfkirchen bieten ein Potential für das Leben der Gemeinden. Für die Bewirtschaftung der Gebäude brauchen wir Partner. Der sakrale Raum sollte jedoch erhalten bleiben, da er auf die dahinter stehende, auf das Wort Gottes hörende und Gottesdienst feiernde Gemeinde und damit auf den in ihr lebendigen Christus verweist.“

 

„Pastorinnen und Pastoren sowie die Gemeinden müssen ihren Platz und ihre Verantwortung im Gemeinwesen des Ortes wahrnehmen. Die Probleme einer Region müssen auch die christlichen Gemeinde bewegen. Nur so wird die Kirche als relevant erlebt werden. Nur durch das Mitleben mit den Menschen im Dorf wird unser Zeugnis als glaubwürdig erlebt und gehört.“
 

„Wir brauchen Flexibilität für individuelle Lösungen in Bezug auf gemeindliche Strukturen. Unter Beachtung der Infrastruktur, der geschichtlich gewachsenen Zuordnung von Hauptorten zu Nebenorten oder Fillialdörfern, der Schuleinzugsbereiche und der kommunalen Gliederung wird man von Region zu Region die entsprechende Sensibilität für passende Lösungen suchen müssen.“  Der Bischof nennt zentrale Modelle, Mischformen und dezentrale Modelle.

 

Ohne Schmerzen solle man hinnehmen, wenn Gemeindeglieder in mehreren Gemeinden Angebote wahrnehmen oder sich zu anderen Gemeinden halten.

 

„Verbundenheit mit der Gesamtheit der Kirche: Es ist wichtig, dass die Christen aus verschiedenen Gemeinden, Regionen und Konfessionen miteinander in Verbindung bleiben, damit keiner vereinsamt oder die Weite der universalen Kirche aus dem Blick verliert.“
 

Der Bischof erwähnt den Raumordnungsbericht, der  zwischen Sozialkapital, Kulturkapital und ökonomischen Kapita unterscheide. Das letztere konzentriere sich auf Zentren. Das Sozialkapital bestehe u.a. durch Vernetzungen. Sie sind in Gefahr zu zerbröseln.

 

 

Mitgeschriebenes beim Vortrag von Rainer Bucher (Graz, Österreich):
Priester und Laien in neuen Gegenden.
Eine katholische Perspektive zur Kirche an ländlichen Orten

 

1. Frage sei, wie wir uns als Kirche selbst lebendig erhalten können, die katholische Kirche aus Priester und Laien,

 

innen und außen,

 

Männern und Frauen,

 

Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen.

 

Die ehemals linke dominante Seite in dieses Paaren habe nur eine Chance, wenn sie die rechte Seite integriere.

 

Hauptamtliche nähmen sich selbst als professionell wahr und titulieren Mitchristen als Ehrenamtliche.

 

Ehrenamtliche entscheiden nach einer Nutzenkalkulation. Sie zu Marionetten zu degradieren, bringe Stress hervor. Ehrenamtsmanagement sei ein wenig geschickter Weg, sie für die eigenen Interessen zu instrumentalisieren.

 

Stattdessen: Entdeckungsdiskurse und Ermöglichungsdiskurse. Sich gegenseitig als Christen wahrzunehmen sei das Wichtigste, nicht unser sozialer Status. Wenn wir an die institutionelle Selbstsicherung denken und nicht an die gesellschaftlich prekäre Situation, seien wir auf dem falschen Weg. Haben wir genug interne Räume für eine echte Kommunikation?
 

Es herrsche eine weitgehende Sprachlosigkeit der Kirche vor den neuen Herausforderungen.
 

Es gäbe die Versuchung zu einer ländlichen Alternativkirche. Damit umgehe man die aktuelle Sprachlosigkeit. Darum gäbe ist es keine Alternative.

Des weiteren sah R. Bucher in den letzten 40 Jahren die Versuchung der Gemeindekirche. Sie könne nicht funktionieren.

Er zitierte Karl Rahner: „Das Sichere ist heute das Gewagte“ und spricht sich gegen ein Flüchten in Idyllen, in Traditionen oder die Moderne aus.
 

Die moderne Gesellschaft funktioniere offensichtlich trotz aller Gefahren und übe eine hohe Faszination aus. Sie schaffe uns extreme Freiheit und extreme Probleme. Die hohen Kirchenaustrittszahlen entsprächen den hohen Scheidungszahlen. Wir seien in einem Suchprozess.

 

Die Liturgie sei heute hoch wirksam und funktionabel, aber fördere eben nicht echte Gemeinschaft.

 

Verbindlichkeit (nicht gegenüber der Kirche als Sozialform) sei die Verbindung von Wort und Tat und heiße absolute Solidarität mit der Gegenwart.

 

Oberbefehlshaber brauchen Überschaubarkeit. So werde das Prinzip der Überschaubarkeit immer wichtiger. Wichtig für eine Schlacht seien geordnete Schlachtreihen. Doch mit dem Oberbefehl des Klerus sei es vorbei.

 

Die Gläubigen seien heute völlig frei von priesterlicher Biographielenkung. Im Gegenteil seien die Priester heute angefragt. Intern seien sie hoch legitimiert, aber nicht im realen Leben. Deshalb gäbe es heute so wenige.

 

Trotzdem sei heute ein Neoklerikalismus zu beobachten Es sei eine Anstrengungsverstärkung in die falsche Richtung. Nur eine Minderheit sei innovativ. Der Abschied von der Kategorie „Überschaubarkeit“ sei unvermeidlich!

 

Das zentrale Problem des Landes sei die fehlende Anonymität.

 

Aus einer exklusiven Kirchenmitgliedschaft als lebenslängliche Gefolgschaft sei eine situative, temporäre, erlebnisorientierte geworden, das Nutzen der Lizenz zur religiösen Selbstbestimmung. Sie sei wankelmütig und unkontrollierbar.  So erfolge eine Dekonstruktion der Kirche durch ihre Nutzer.
 

Wir ständen wie Banken unter einem staatlichen Rettungsschirm. Papst Benedik XVI. sprach von einer festen Burg, die zu einem Schifflein Petri wurde, hin- und hergeworfen . - An beiden Stellen sei die Kirche nicht wirklich in der Welt.
 

Es funktioniere nur noch diese Orte, wie bei einem Krankenhaus, wenn der Seelsorger vor der Tür der Patienten stehe und nicht wisse, ob er gleich rausgeschmissen werde, als risikoreiche pastorale Konfrontationsprozesse.


Wichtig sei, die Sehnsucht nach Heilung aufzunehmen.

 

In der anschließenden Diskussion: Die Gesellschaft könne sich nur gegenüber der Religion die Freiheit leisten, weil sie heute andere Steuerungsmechanismen habe.
 

Literaturhinweis u.a.: Rainer Bucher, das Ehrenamt in der Transformationskrise der katholischen Kirche, Risiken und Perspektiven, in Walter Krieger/Balthasar Sieber (Hrsg.), Für Gottes Lohn? Ehrenamt und Kirche. Linz 20122, 65-83

 

Rainer Bucher: ...wenn nichts bleibt, wie es war. Zur prekären Zukunft der katholischen Kirche, Würzburg 2. Aufl. 2012

 

 

In der weiteren Diskussion:

 

s. Stefan Seidelmann zum Ehrenamt: zunehmende Professionalisierung vom Ehrenamt führt zu Rollendiffusion

 

Arm/ prekär seien heute diejenigen, die keine Wahlmöglichkeiten mehr haben, um die sollten wir uns kümmern.

 

 

Helge Adolphsen (Hamburg): Kirchengebäude auf dem Land – Handlungsempfehlungen des Kirchenbautages

 

1. Wir hätten nicht zu viele Kirchen, sondern zu wenig Kreativität.

 

2. Der Geist gehe immer dem Geld voraus. Kreativität wachse, wo wenig ist.

 

Kirche in Mitteldeutschland habe 4000 Kirchen. Sie wurden in den 70er Jahren bewertet mit: A unbedingt erhalten, B – möglichst erhalten, C – aufgeben. Die C-Kirchen gehörten zu denen, die nach der Wende am schnellsten wieder aufgebaut wurden. Kirchbauvereine nehmen sich der Kirchen an, die nicht mehr landeskirchlich versorgt werden.

H. Adolphsen wendete sich gegen die Fixierung auf eine Grundversorgung. Statt allen das Gleiche, solle man jedem das Seine geben.

 

Hinweis auf Hörspielkirche in Fredow in Mecklenburg!

 

„Kirche wächst von unten – wie in der Natur.“

 

„Kirchen müssen sich nicht rechnen.“

 

„die treuen Kirchenfernen“

- Übernachtungskirchen, Restaurantkirchen, Veranstaltungskirchen... - Versorgung durch die Region

 

- Poststelle in die Kirche integriert

 

- Mitbestimmung bringe keine Modelle, sondern Bewegung hervor.

 

- Kirchen sind Gegenorte zur hoch individualisierten Gesellschaft.

 

- Ein GKR werde künftig nicht mehr entscheiden müssen, sondern das Dorf fragen: Was braucht ihr?  

 

Zu einem umfassenden Kommunikationsprozess gebe es keine Alternative.
 

Prof. Steffen Fleßa (Ökonom, Greifswald):

 

Die Frage sei nicht, wo fühle ich mich wohl, sondern was ist mein Auftrag.

 

Die Ökonomie sei die Lehre von der Zielerreichung.

 

Wir würden in der Zeit begrenzter Ressourcen leben: nach dem Paradies und vor dem Paradies.

 

Geld sei ein unbedeutender Schleier, der sich vor die Realität legt.

 

Ziele: Dienst an den Schwachen, Zeugnis, Anbetung, Gemeinschaft.

 

Ehrenamtliche verbinde eine Aufgabe.

 

Wenn wir hier als Kirche überleben wollten, dann nur mit radikalem Umdenken.

 

Der Dienst an den Menschen habe immer Vorrang vor dem Denkmalschutz.  

 

Prof. Uta Pohl Patalong (Praktische Theologin, Kiel): Ortskirche und kirchliche Orte in der Fläche

Im 19. Jahrhundert : Pastor Emil Sulze forderte, das jedes Gemeindeglied gekannt werden sollte. Man begann die Freizeit in den Gemeinden zu verbringen und dies wurde zum Maßstab für wahre Mitgliedschaft. Es wurden Gemeindehäuser gebaut. Die heutige Kerngemeinde entstand. . Die verlorene Dorfgemeinschaft sollte als städtisches Modell neu erstehen. Dieses Modell setzte sich nach und nach auch auf dem Lande durch. Seit den 60er Jahren kam es auf dem Lande zur Erweiterung kirchlicher Organisationsformen.

 

Die Ortsgemeinde spreche bestimmte Milieus an, andere nicht.

 

Die Zahl der klassischen Ehrenamtlichen in der Kirche gehe zurück. Gibt es neue?

 

Modell der „Kirchlichen Orte“

 

- Hinweis auf Pavel Richter, den Leiter der deutschsprachigen Wikipedia, fragt: Wofür braucht die Kirche mich?

-  Hinweis auf EKD-Synode Mageburg 2010

 

Für die soziale Mobilität hätten wir wenige Denkrahmen.

 

Wie würdigt man die vorhandenen Menschen?

 

"Top down" funktioniere in der evangelischen Kirche überhaupt nicht!

 

 

Prof. Michael Herbst (Praktischer Theologe, Greifswald):
An den Hecken und Zäunen – Gemeindeentwicklung und Mission in ländlichen Räumen

 

Die pastorale Versorgungskirche führe sich selbst ad absurdum. Ihre Dehnung durch Fusionen führe zum Verlust der Nähe. Regionalisierung könne man zum Unwort des Jahrzehnts erklären.

 

- Hinweis auf das Freie Forum Ortsgemeinde in Schleswig-Holstein.

 

- Die schwedische Kirche betreibe eine Tankstelle, die ansonsten geschlossen worden wäre.

 

- gemeinsames Essen, s. BSE-Krise in Berlin: Erfindung eines beef crisis sunday

 

- der Kirchenkreis / die Region sei Kirche

 

- Bereitschaft zu sterben, um zu leben.

 

- Gottesdienst als hochkulturelle anspruchsvolle Musik- und Rhetorikvorführung müsse Platz machen für leichtere, schlichtere und eigenständigere Formen des kirchlichen Lebens.

 

- Schäden einer pfarrerzentrierten Amtskirche; Gemeinde müsse mündig werden. Es gehe um Rückerstattung (von Rechten), darum, mehr zuzutrauen.

 

Der Verlust der Eliten auf dem Dorf bedeute nicht einen Verlust der Charismen.

 

- s. EKD: Wandeln und Gestalten, S. 70

 

Hadwig Müller (Aachen):

 

Gott ist ein Gott des Gesprächs, ein Gott lebendiger Beziehungen, kein einsamer Gott, kein Gott ohne Geschichte. Trotzdem ist er geheimnisvoll und unbekannt. Sein Gespräch lebt vom Geheimnis. Auch in Gott gibt es das geheimnisvolle Anderssein. Die Trinität - Ausdruck des unbegreifbaren Gottes, dessen Wesen Gemeinschaft ist.

 

Glauben heißt für Hadwig Müller Glaube an die Stärke der Schwachen. Nur eine arme Kirche könne eine missionarische Kirche sein!

Das tiefe Fehlen des Anderen – die künftigen Bewohner des Reiches Gottes leiden an der Unvollständigkeit.

 

Der Selbsterhalt sei als primäres Motiv jeder Organisation legitim – so sage jede Organisationstheorie.

 

Erzbischof i.R. Albert Rouet/ Frankreich, Diözese Poitiers,
der eine Änderung der Gemeindestrukturen dort ermöglichte und damit ein Modell schuf, das viel Aufmerksamkeit erfährt und nun auch in Deutschland bekannt wird. (Die Stichworte hier setzen die Kenntnis dieser Bewegung voraus, (mehr dazu: Ly Dang im Anhang)
Die Gaben der Taufe und die kirchlichen Strukturen

Glaube ist eine Beziehung zu Gott, zu Christus und zu den anderen.

 

Unser Problem sei ein Mangel an Vertrauen.

 

Je kleiner eine Gemeinde sei, desto größer sei das Vertrauen. 

 

Fünf Voraussetzungen für Gemeinden:

- sie müsse gegründet worden sein,

- sie müsse anerkannt worden sein von anderen,

- sie müsse eine gewisse Dauer aufweisen,

- sie müsse eine Nähe der Mitglieder haben,

- sie habe eine Sendung, einen gemeinsamen Auftrag, eine gemeinsame Last.

 

- in der traditionellen Gemeinde  existiern parallele Gruppenstrukturen, hierarchisch nach oben, untereinander ohne oder mit geringem Kontakt, so sich gegenseitig leicht als Konkurrenten empfindend; ebenso sei das Verhältnis der Gemeinden innerhalb der Diözese,

 

Welchen Unterschied gibt es zwischen einem lebendigen Leib und seinen Gliedern und einem Metzgerladen?

 

Gemeinde dürfe kein Ort sein, an dem Konkurrenz entstehen kann.
Es gebe keine Geschwisterlichkeit ohne das Symbol des Vaters.

 

Nicht nur die praktizierenden Christen gehörten zur Gemeinde. Sie hätten ihre Geschichte mit den anderen in ihrem Dorf, eine Haß-, Neid-, Konfliktschlichtungsversuche-, ..Liebesgeschichte.

 

Das Problem der Kirche sei nicht ein Glaubens-, sondern ein Glaubwürdigkeitsproblem. Die anderen alle sollten als Subjekte gesehen werden.

Das Dorf habe drei religiöse Kreise, den innersten 1., den darum herum liegenden 2. und den großen Dritten, der die beiden anderen umschließt. Sie bedeuten:

1. Die Überzeugten

2. Die nichts dagegen haben

3. die absolut Ungläubigen.

 

Die Beziehungen zwischen dem 1. und 2 Kreis seien schlecht: Die aus dem ersten Kreis wollen, dass die aus dem zweiten so werden wie sie und die aus dem zweiten Kreis wollen nichts weniger als so werden wie die im ersten Kreis.

 

Der zweite Kreis, das seien die Proselyten und seien als Gruppe das Gelenk zwischen dem ersten und dem dritten Kreis. Viele Engagierte kämen aus dem 2. Kreis. Doch sie hätten das Problem, wie sie z.B. 15 Jahre Leben außerhalb der Kirche wieder aufholen können. 

Das Hauptproblem sind die Beziehungen zwischen den Leuten des ersten und zweiten Kreises.

 

Vier Aufgaben: Gebet – Diakonie – Verkündigung – Charismen

 

In Zeiten der Veränderung seien klare Regeln nötig, sonst würden  die Schlaueren / die Mächtigeren die Herrschaft übernehmen.

 

Alle, die wollen, dürfen  in der Diözese Poitiers mitwählen. Die Zahl der Wählenden habe von mal zu mal zugenommen. Heute gibt es in der Diözese Poitiers 320 örtliche Gemeinden. Die kleinste Gemeinde ist in einem Dorf von 120 Einwohnern. Beim Gebet am Sonntag seien 40 da. Die größte Gemeinde habe acht Zivilkreise, die schon seit dem Mittelalter zu derselben Mark gehörten.

Nur der Bürgermeister dürfe nicht für eine „Mannschaft“ (Gemeinde) als Verantwortlicher gewählt werden.

 

Die Vorstellung, dass die Leute auf dem Lande zu den Letzten gehören, sei aus ihren Köpfen verschwunden. Es gebe großzügige Gemeinden und kalte Gemeinden.

 

Wichtig sei die Weiterbildung: Die empfindlichsten Probleme seien die geistlichen Probleme. Die Leute bekämen die Schwierigkeiten der Apostel zu spüren.

Viel habe man sich von den Kirchen in Südostasien, Afrika und Brasilien abgeguckt.

 

Kirchliche Autorität dürfe keine Angst davor haben, Regeln festzulegen. Autorität heiße nicht nur: Ich befehle, sondern ich erkenne an.

Von den 200 Priestern der Diözese leisteten acht Widerstand gegen die Umstrukturierung. Von Rom kam keine Reaktion.

Die Zukunft der Gemeinde liege da, wo Menschen, die sozial weit voneinander entfernt seien, sich zusammenfinden, sonst würden wir ein Klub der Hundertjährigen.

 

Die, die die Arbeit der Umkehr nicht machen wollen, die hätten es schwer.

 

Die Aufgabe (der Gemeinde) sei, die Menschen geistlich zu nähren.

 

Aufgaben des Leiters seien:


- Dienst an der Geschwisterlichkeit

- Achten auf regelmäßige Gottesdienste

- Offenhalten der Gemeinde für die Gesellschaft

 

Beispiel zwei alter Frauen, die durchs Dorf gehen und sich fragen, wie sie an diesem Ort dienen können und dabei einen sterbenden Aidskranken an einem Strohhaufen finden. Um ihm zu helfen, müssen sie das Dorf mobilisieren.

 

Shannon Jung (USA): Perspektiven der US-Amerikanischen Kirche auf dem Lande

 

1. Soziale und ökonomische Trends

 

- Monopolisierung der Rindfleischverarbeitung ( 83,4 %,  Schweinefleischverarbeitung 66 %,  Hühnerfleisch 58,5 %)

- Supermarktketten und Nahrungsmittelindustrie:


- Wal-mart Stores (US): 312,4 Mrd. $

- Carrefour (Frankreich) 92,6 Mrd. $

- Tesco (UD) 69,6 Mrd. $

- Metro Group (Deutschland) 69,3 Mrd. $

 

- 8., 9., 10. - Rewe, Schwarz und Aldi (alle Deutschland) 51, 8 Mrd. ; 45, 8 Mrd. 45,0 Mrd. $
 

Die ländliche Bevölkerung in den USA nahm von 1995 von 61 Mill. auf 46 Mill. 2013 ab. Im Vergleich dazu blieb die ländliche Bevölkerung in Deutschland relativ konstant bei rund 21 Mill.

 

- In den USA sei das mittlere Haushaltseinkommen ist von 50.600 auf 46.500 gefallen.

 

- Die wachsende Schere zwischen Reich und arm, wobei die afrikanischen und spanischen Amerikaner besonders von Armut betroffen sind. Die Armutsrate liege bei 16,1 %. Die neu entstehenden Jobs sind schlechter bezahlt und abgesichert als diejenigen, die sie verdrängen.     

Das oberste 1 % der Bevölkerung besitze 40 % der Güter des Landes , während 80 % nur 7 % besitzen.

Es gebe eine weiße „underclass“ sowohl auf dem Land wie in den Innenstädten.

 

2. Pastorale und kirchliche Trends

Die bedeutendste Religion in den USA sei der Konsumismus. Der Wunsch, etwas zu besitzen, sei nur ein Ausdruck dessen, was mir versprochen wird, zu besitzen, wenn ich es habe: Beziehungen, Anerkennung, Liebe... So drücke der Konsumismus ein geistliches Bedürfnis aus, das es gilt zu transformieren.

 

Die großen liberalen Kirchen seien gut etabliert.

 

Die Zahl der Nichtreligiösen wachse, auch wenn sie ein spirituelles Bedürfnis haben (19 %).

Es wächse sowohl die Zahl der Mega-Kirchen als auch die Mitgliedschaft in kleinen Kirchen.

 

Etliche Seminare der großen Kirchen, wie der evangelikalen sind während der Wirtschaftskrise 2008 geschlossen worden. Seminare seien zerbrechliche / fragile Organisationen. Viele versuchen, ihre Strukturen umzubauen.

 

3. Theologische Grundpfeiler (bench marks)

 

- 1. Ortsverbundenheit: Wertschätzen der Menschen vor Ort, der Geschichte etc. Gott ist an diesem Ort gegenwärtig wirkend. Hier vor Ort ist man zur Jüngerschaft/Nachfolge berufen. Theologische Lehren, die dies unterstützen: über die Schöpfung, die Fleischwerdung Jesu Christi und die Immanenz/ die Gegenwart Gottes. Teil unserer Arbeit sei es herauszufinden, wie Gott vor Ort gegenwärtig ist.

 

- 2. Die Gemeinde bestätige den Wert von Gemeinschaft, in der kirchlichen wie auch in der zivilen Gemeinde. Die Pastorale Sorge gehöre den Laien ebenso wie den Pastoren. Alle sind berufen dem Nächsten zu dienen. Gott liebt jeden. Es geht um den Dienst der Laien.

- 3. Wesen von Leitung:  Leitet nicht nur die eigene Organisation, sondern steht bewusst in der Öffentlichkeit als Leiter! kooperative Arbeit und kooperativer Dienst; Blick nach außen, nicht nur nach innen;  dienende Leiterschaft, welche die Laien ermutigt;

 

- 4. Inklusivität: ländliche Gemeinden heißen bewusst Fremde und Neuankömmlinge willkommen, diese haben oft eine andere Hautfarbe. Es gehe um die Sorge für alle, die dort vor Ort leben. Dieses Willkommenheißen geschehe oft nicht. Es werde nur darüber geredet. Es gehe um Vielfalt und die multikulturelle Gnade Gottes. Es gehöre zu den schwersten Herausforderungen, die eigene Identität aufzugeben. Kirche verändere sich so.

 

- 4. Sich abzeichnende Probleme/Themen

 

- Zum Schluss sagte Ch. Jung kurz wie zur Lebendigkeit der Gemeinden beigetragen werden kann. Kleine Gemeinden glauben oft nicht, dass Gott in ihrer Mitte sei.

- In Workshops stelle er den Gemeinden einige Fragen: Was sind eure Stärken? -Ihr müsst nicht alles können und für jeden etwas anbieten. Wie kann diese Gemeinde an diesem konkreten Ort Kirche sein? Er lässt die Gemeinden auf Papier alles benennen was sie an Vermögen/ an Gaben / an Ressourcen haben.

- Kann jemand gut beten? Da gibt es z.B. jemanden, der gut mit Holz arbeiten kann. etc. Gibt es Zusammenarbeit mit anderen Vereinen etc?

- Was für eine Art von Dienst kann hier in diesem bestimmten lokalen Kontext geschehen?

- Es gelte sodann darüber nachzudenken und zu entscheiden, wozu ´die Gemeinde gesandt und berufen ist.

 

Die ländlichen Kirchen sind bezogen auf ihren Ort und ihre Geschichte. Sie wollen die Lebensqualität an ihrem Ort verbessern.  Wichtige theologische Lehren: Schöpfung, Inkarnation und Immanenz, Gottesdienst.

Die ländlichen Gemeinden schätzen den Wert der Gemeinchaft, sowohl in der Gemeinde wie in der Kommune.   

Theologisches Ideal: Priestertum der Gläubigen/ der Laien, Nächstenliebe.

 

Den Leitern gehe es um die Gesundheit aller. Sie engagieren sich auch in der Kommune.

Die Gemeinden bemühen sich Fremde und Neue willkommen zu heißen. Aber oft geschehe dies trotzdem nicht. Der barmherzige Samariter sei Vorbild für sie, sich um die zu kümmern, die in ihrem Gebiet ihre Hilfe brauchen.

Wichtige Punkte:

- Die Nahrung – die Kosten der Nahrung und gesunde Nahrungsmittelindustrie- das Wissen darum, woher unsere Nahrung komme und wie die Preise dafür zustande kommen.

- Die Erinnerung an alte geistliche Praktiken der christlichen Tradition bezogen auf die Nahrungsmittelindustri:. Das danken für die Nahrung und das Teilen miteinander.

 

- Informelle Kirchen

- Hauskreise

- Bibelstudien

- Missionsgruppen

- Rechtshilfe, Gruppen für soziale Gerechtigkeit

 

Weitere Formen von Kirche, die nicht voll ausgeprägt sind wie künstlerisch geistlich orientierte Zentren, andere Nischen

 

- Welthunger und Fettleibigkeit – beide Probleme durchdringen sowohl die häusliche wie die internationale Szene.

 

- ernsthafte Anstrengungen die Existenz von Hunger zu beseitigen

 

- es geht um die Gesundheit und um die Wege, auf denen sich Gottes Willen eines fröhlichen Lebens Gestalt gewinnt.

 

Christian Hennecke ( kathol. Theologe, Hildesheim): Der Geist des Herrn erfüllt das All

 

Schafft die katholische Kirche sich selber ab? - Es sei die Frage: Schaffen wir das?

 

Wie sehen wir diese Welt, sei die entscheidende Frage.

 

Habe gelernt auf dem „Kongress Kirche Hoch 2“ zu twittern.

 

Die gegenwärtige Krise  sei vor allem eine Krise von Institutionen und Strukturen. In den 60er Jahren hatte die katholische Kirche eine Wachstumskrise (s. Gaudium et spes), aufgrund des schnellen Wachstums der Kirche in der dritten Welt.

Der Konsumismus sei der Wunsch nach Partizipation – global und lokal, eigentlich ein Wunsch nach Gemeinschaft. Ch. Hennecke zitiert  Klaus Hemmerle, (deutscher Bischof, schon verstorben):

„Lass mich dich lernen, dein Denken und Sprechen, dein Fragen und Dasein, damit ich daran die Botschaft neu lernen kann, die ich zu überliefern habe.“

 

Lernen, wie die Menschen sind, sie wahrnehmen, darauf komme es an!

 

Die entscheidende Frage sei nicht, wie wir Ehrenamtliche gut füttern, damit sie tun, was wir wollen, sondern verstehen wir sie.

 

Menschen seien Pilger, auf dem Weg. Sie lassen sich nicht einfach integrieren in unsere Strukturen.

 

Wir wären gesellschaftlich und kirchlich am Ende einer Epoche der Professionalität und des Klerikalismus.

Das Geld und das fehlende Geld seien eines der wesentlichen Instrumente des Heiligen Geistes. Er wolle uns damit etwas lehren: Die Rückkehr der Getauften.

Ch Hennecke selbst konnte das studieren in den Philipienen und Südafrika.

 

Nehmen wir die Charismen der Getauften wahr? Nutzen wir sie dann etwa (nur) für unsere Pläne?

Im Bistum Hildesheim sagen "wir": Wir brauchen eine lokale Kirchenentwicklung.

 

Es sei schon alles da (s. Jakob: Das Tor zum Himmel ist schon da.“) - Wir brauchen es nicht selbst tun.

 

Beispiel von zwei alten Frauen aus England, die die letzten im Gottesdienst waren und einsahen, dass für sie die Kirche nicht mehr geheizt werden könne. Der Pfarrer bat sie, für das Dorf zu beten. Sie taten das und entdeckten die Notlage der Nachbarn und beteten für sie, diese kamen dazu und so wuchs wieder Gemeinde.

Nähe heiße, dass wir Gottes Reich lokal erfahrbar machen. Wir, die Hauptamtlichen, sollen nicht die Pläne machen und die Leute dafür suchen, die wir dafür brauchen, sondern uns wie Gäste verhalten, wie Menschen, die achtsam auf das schauen, was der Heilige Geist wirkt, auf die Charismen der Menschen.

Anschließende Diskussion:

Die Menschen brauchen Institutionen, auch wenn sie ihnen nicht angehören wollen.    Der eigentliche Punkt sei, wozu dienen diese. Sie wollen etwas ermöglichen. Wie geht das bei Hauptamtliche: Das sei die entscheidende Frage in der katholischen Kirche.

 

Der Pfarrer sei überlastet. Ich habe Mitleid mit ihm, darum ich helfe ihm. Das sei noch keine Umkehrung. Wir müssten an der Änderung unserer inneren Bilder arbeiten. Beispiel Philippinen: ein Priester für 20.000 Gläubige und gerät nicht in Panik, sondern ist ganz ruhig. Welches innere Bild habe er? und haben wir? Unser Bild müsse sich ändern. Wenn wir das Bild haben: Hauptamtliche gibt es nicht mehr, nun macht das ehrenamtlich! - werden wir keinen Erfolg haben.

 

Ist die Arbeit eines Pfarrers in Geld umwandelbar?

 

Welche Vielfalt haben wir hier? - reich und arm, ostdeutsch und westdeutsch... ökonomisch, bildungsmäßig,...

 

Was teilt uns in dieser Vielfalt?

 

Wir haben hier in Deutschland im Unterschied zur USA Diakonie und Gemeinde zu weit auseinander gerissen, haben sie zu sehr professionalisiert und sind darum nicht bei den Nöten der Menschen.

 

Wie kommen wir an die Menschen ran? - sei eine sehr merkwürdige Frage. Wir sind doch ständig mit Menschen zusammen. Die Frage ist, wie wir ihnen dienen. Kirche ist an vielen Orten. Am weitesten nach außen reichen wir dort, wo wir den Menschen dienen.

 

Dr. Thies Gundlach: „Liebhaber ohne festen Wohnsitz – Kirche in der Fläche 2050“

 

Auf ein Abenteuer habe er sich eingelassen, ohne die hochkompetent besetzte wissenschaftlich Tagung aus Zeitgründen mitverfolgen zu können, den Schlussvortrag zuzusagen. Dr. Thies Gundlach als einer der drei Vizepräsidenten des Kirchenamtes der EKD war gebeten worden, aus kirchenleitender Sicht die Kirche auf dem Lande im Jahr 2050 und somit ein zu erreichendes Ziel zu beschreiben. Er rundete die 37 Jahre auf 40 auf und wies auf die Wüstenwanderung Israels hin: 40 Jahre Wüstenwanderung und dann das gelobte Land.

 

Wüstenwanderung hieß für den Referenten Durststrecke. Immer wieder betonte er seinen Respekt vor denjenigen, die „dieses Elend der Wüstenwanderung“ durchstehen müssen. Aber die Wüste erwies sich als eine selbstgeschaffene. Sie sei der Umbau unserer Kirche, das alternativlos zu vollziehende Verkleinern unserer Kirche. Als Gründe dafür wurden die „drei großen D's genannt, die uns zusetzen: Demographie, Deinstitutionalisierung und Dezentralisierung. Das sind die Herausforderungen, vor denen wir stehen.“ Diese drei D's scheinen genug zu sagen. So musste der kategorische Imperativ nicht begründet werden: „ Wir sind eine Kirche, die muss kleiner werden.“ „Die erste Grundaufgabe der Hauptamtlichen und der Ehrenamtlichen ist Loslassen.“ „Diese Aufgabe ist unserer Generation gestellt.“ - Von wem?

 

Thies Gundlach war klar, dass Kleinerwerden Relevanzverlust bedeuten wird. Er sah die Zuschauer: „Viele, die davon ausgehen ( Säkularisierungsthese): Das hört jetzt bald auf mit diesen Frömmigkeiten und den Christen.“

Dass die Wüstenwanderung keine Freude ist, setzte er als Erfahrung seiner Zuhörer voraus: „Die Schmerzen der Anpassung, die vor uns sind, das ist überhaupt keine Prophetie. Sie haben das ja in diesen Tagen alle vor Augen.“ Trotzdem beschreibt er sich in seiner Selbstvorstellung auf der Webseite der EKD als jemanden, der mit „Lust und Leidenschaft“ den Reformprozess befördere.

 

Vorteil der „kleineren Einheiten“ werde sein, dass es weniger Neid und Konkurrenz gäbe und mehr familiäres Heimatgefühl.

 

Flüssig sollen die Strukturen werden, unterwegs, auf der Wanderschaft, wie im Mittelalter die wandernden Mönche. Überhaupt ist das Mittelalter Vorbild mit seinen Klöstern als geistlichen Orten, in denen stellvertretend für die Menschen geglaubt wird, die nur als flüchtige Besucher Kontakt mit dem Glauben haben. Aber auch die großen Kathedralen sollen weiterhin nötig sein, die die Glaubensflaneure anlässlich großer Feste aufsuchen werden.

 

Was wird bleiben von dem, was wir jetzt haben? Antwort: „Die Schätze der Tradition, der Väter und Mütter bleiben erhalten, die drei B´s : Bach – Backstein - Beten. 2050 werden wir das auch alles haben, zwar in kleineren Zahlen, aber wir werden das alles auch haben.“

Aber die kleinere Zahl sei nicht schlimm, denn: „Die Menge der Zeugen ist nicht ausschlaggebend für die Wahrheit des Zeugnisses.“

 

Diese selbst eingeschlagene Wüstenwanderung ohne Hoffnung auf Wunder, mit denen man erst mal nicht rechnen könne, und als ein Ausziehen der Linien, die wir jetzt haben, sie ist aber kein Selbstmord. Am Ende, nach 40 Jahren werden wir staunen „über Gott. Uns gibt es immer noch. Wider Erwarten gibt es uns immer noch.“ Denn Gott sei „ein Liebhaber ohne festen Wohnsitz“.

 

Dies belegte er in einem ersten Punkt „ Von der Freiheit Gottes“. Es folgte ein Abschnitt über die Sehnsucht der Menschen, jener Glaubensflaneure, Gelegenheitsbesucher. Zu seinem Höhepunkt wird der schöne Satz „Was haben wir für eine schöne Aufgabe, den Himmel offen zu halten.“

 

Der dritte Abschnitt handelte von der Stärke einer Kirche der Freiheit. Der Referent bat um Verzeihung, dass er diesen Begriff wieder aufnehme. Man soll sich treu bleiben, auch in seinen Fehlern.

 

Ohne Diakonie sei das Zeugnis nicht glaubwürdig, aber Kirche als Wertelieferant und diakonischer Träger, auch wenn es dafür Schulterklopfen und Anerkennung gäbe, sei nicht alles. „Wir brauchen die schönen Gottesdienste, die schönen Andachten.“ Einen Kummer habe er im Blick auf die Zukunft: Es gelte unseren Kernauftrag wieder zu entdecken, das Geistliche, von Gott zu reden und das mit einer kleinen, geistlich tiefen Minderheit. Das werde dann wie in den Städten auch in den peripheren Räumen auf dem Lande gelingen, wenn wir nur die Kunst erlernten, das loszulassen, was losgelassen werden müsse. Auf die Nachfrage, was er damit meine, werde er nicht antworten. Er sei nicht lebensmüde.


 

Nicht berücksichtigt ist hier der Vortrag von Leslei Francis (Coventry), da er nicht übersetzt wurde.

 

Alle Vorträge sind 2014 vom Institut zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung herausgegeben worden.