Predigt über den Psalm 46 und das Lied Luthers „Ein feste Burg ist unser Gott“

am 30. Oktober 2022 im Gottesdienst zum Reformationsgedenken in Ahrensfelde und Eiche bei Berlin



Liebe Gemeinde,

in der Überschrift, dem Vers 1, der nicht im Gesangbuch1 steht, wird gesagt, dass es sich hier um ein Lied handelt und nach welcher Melodie es gesungen wird. Es hat 3 Strophen, die wohl ursprünglich alle, also auch die erste Strophe mit dem Refrain endeten: „ Der Herr Zebaot ist mit uns, der Gott Jakobs ist unser Schutz.“

Es ist ein Mutmach-Lied und es wäre wohl nicht vor einiger Zeit als Predigttext für das Reformationsfest ausgewählt worden, wenn man nicht gemeint hätte, dass es dies auch für uns sein könnte, ja, dass es aktuell ist. Ja, das ist dieses Lied.

In der 1. Strophe geht es um die Bedrohung durch Wasser, durch Meere, die wüten, so dass Berge und Land in ihm versinken. Sicher fällt uns da die Klimakrise ein, die schmelzenden Eismassen, der Anstieg des Meeresspiegels, der so manches Land und das Klima auch hier bei uns bedroht. Denn für uns wird bekanntlich entscheidend sein, wie sich der Golfstrom dann womöglich verändert, der uns bisher so mildes Klima beschert.

In der 3. Strophe werden die Kriege angesprochen. Gott ist derjenige, der die Bogen, Speere und Kriegswagen zerbricht. Er zerstört mit Macht und Gewalt den Krieg. Große Reiche fallen auseinander. Die Macht von Menschen vergeht.

Dazwischen in der 2. Strophe ist von der Stadt Gottes die Rede, von Wasser, das sie zu einem lieblichen Ort macht: Wasser aus Brunnen. Wir dürfen an Springbrunnen denken, an friedliche Bäche, die das Land fruchtbar machen.

Wohnungen des Höchsten sollen auch unsere Kirchen und Gemeindehäuser sind. Wir brauchen sie gerade in so turbulenten, unsicheren Zeiten wie jetzt. Wir wünschen sie als Zufluchtsorte, in denen wir auftanken und fröhlich sein können, als Orte, wo es anders ist als sonst in der Welt. Hier möchten wir erfahren: Gott ist unsere Zuflucht, hier sind wir in Sicherheit.

 

In alten Zeiten boten hohe Mauern Sicherheit und manche unserer alten Kirchen sind als solche Wehrkirchen gebaut, in die die Dorfbewohner flüchten und sich verteidigen konnten, wenn die Feinde kamen. So hat Martin Luther, als er das Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“ dichtete, „Schutz“ mit dem Bild einer Burg beschrieben. Das Lied, deren 1. Strophe2 wir gerade gesungen haben, - so steht es auch darüber – ist eine Übertragung des Psalms 46 in das Lebensgefühl in der Reformationszeit. 1529 ist es zum ersten Mal in einem Gesangbuch gedruckt worden. Es ist nicht nur ein Mutmach-Lied, sondern ein Kampflied, schon von der Melodie her. Man kann danach marschieren, ja man kann damit jubeln, den Sieg schon vorwegnehmen und ihn feiern.

Gott ist nicht nur Schutz, sondern „Wehr und Waffe“ und wer der Feind ist, ist auch klar: „der alt böse Feind“, der Satan. So beginnt die 3. Strophe „Und wenn die Welt voll Teufel wär“. Ja, solch ein Gefühl kann man haben, das kennen wir, denke ich, auch, dass es immer schlimmer mit der Menschheit und in den einzelnen Ländern wird. Wir können uns denken, wer für Luther diese Teufel waren: sicher die Gegner der Reformation, die ihn selbst lieber tot als lebendig gesehen hätten.

In der 2. Strophe aber wird aus Gott, der mit Waffen kämpft, Jesus Christus, der für uns „streitet als ein rechter Man“, den Gott dazu auserwählt hat, gegen den „Fürsten dieser Welt“, der in der 3. Strophe beschrieben wird, kämpft – mit einen „Wörtlein“ - heißt es dort zum Schluss. Das reicht aus zum Sieg über die Bosheit.

Die 4. Strophe beginnt dann: „Das Wort sie sollen lassen stahn“ - mit seinem /Jesu „Geist und Gaben“. Und dann kommt der Schlußsatz, an dem deutlich wird: Hier singen Männer: „Nehmen sie den Leib – (mein Leben - ), Ehr, Kind und Weib, lass fahren dahin, sie haben's kein Gewinn, das Reich muss uns doch bleiben.“ - das Himmelreich, das ewige Leben in Gottes Reich! „Leib“ und „Weib“ - das reimt sich so schön und singt sich so gut rhythmisch, kämpferisch, geht uns heute aber wohl allen nicht so leicht über die Lippen. Sehr leicht ließ sich dabei nicht an Gottes Reich denken, sondern an das Deutsche Reich und in diesem Sinne, war es auch ein Lied, dass viele deutsche Soldaten im 1. Weltkrieg Mut machte für den Kampf mit Waffen.

Heute ist uns wohl der Psalm sympathischer, auch wenn wir Luthers Lied noch singen, weil da Jesus Christus derjenige ist, der kämpft, und wir wissen, dass er eben nicht mit stählernen Waffen kämpft und gekämpft hat, sondern mit dem Wort „Liebe“!- „Liebe deine Feine! Vergib Ihnen!“ - wie er selbst noch am Kreuz gebetet hat: „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“

Aber ich habe den Verdacht, dass wir heute wieder mehr und mehr in der Versuchung sind, wie zu Luthers Zeiten, Menschen zu verteufeln und die Welt voller Teufel zu sehen. Nur wen wir damit identifizieren, das ist unterschiedlich. Für die einen sind es die Grünen oder gleich die ganze Bundesregierung, für andere ist es Putin und Trump und noch eine ganze Reihe von ähnlich selbstherrlichen Herrschern.

Nein, liebe Gemeinde, all jene, die heute verteufelt oder für gefährlich dumm gehalten oder so dargestellt werden, sind Menschen, von Gott geliebte Menschen, für die Jesus genauso wie für uns das Kreuz auf sich genommen, gestorben und auferstanden ist. So schwer wir es auch mit solchen Menschen haben, ganz persönlich in der Familie, unter Kollegen, mit Nachbarn, in der Gemeinde und Kirche, - sie sind bei allem, was sie anrichten, Menschen! Sie zeigen uns, wozu Menschen fähig sind, - allein oder im Verbund mit anderen, wenn sie nur die Möglichkeit dazu haben. Auch jeder Einzelne von uns ist so ein Mensch. Auch wir sind in der Gefahr böse zu werden.

Manchmal ist es auch nötig, böse zu werden und anderen Menschen Grenzen zu setzen, zumindest es zu versuchen. Ob es gelingt, ist eine andere Sache. So ist es sehr gut, dass es heutzutage Polizei gibt, die diese Aufgabe hat, die man rufen kann und die so viel Autorität besitzt, dass sie sich in den meisten Fällen durchsetzen kann. Aber auch sie besteht aus Menschen, genauso wie ihre Führung, und in so manchem Land auf dieser Erde sind sie das Probleme, wird ihre Macht genutzt, zu erpressen, Schutzgeld zu fordern, wird sich selbst bereichert.

„Gott, Du bist meine Zuflucht und Stärke, Hilfe in den großen Nöten jetzt. Darum fürchten wir uns nicht, selbst, wenn die Welt unterginge.“ - Liebe Gemeinde , lasst uns in diesem Sinne optimistisch bleiben und mit Wundern rechnen.

Wer von uns hätte vor 33 Jahren gedacht, dass es möglich wäre, die Mauer in Berlin so einfach aufzumachen, auf sie rauf zu klettern und auf dem Kuhdamm mit den Westberlinern eine ganze Nacht durch dies zu feiern. „Wahnsinn“ war das Wort jenes Tages. „Großer Gott wir loben Dich, Herr, wir preise Deine Stärke... Wie Du warst vor aller Zeit, so bleibst Du in Ewigkeit.“ - habe ich damals innerlich gesungen und an die Mauern von Jericho gedacht, diese Wundergeschichte, mit der ich bis dahin nichts anfangen konnte – und an die Losung „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen“ aus Psalm 18,30, über die wir vorher diskutiert hatten.

Auf Gottes Stärke, Weisheit und Macht zu vertrauen, heißt nicht, die Hände in den Schoß legen, Abwarten und Tee trinken, wie man sagt, sondern im Gegenteil, heute das Notwendige und Mögliche tun zum Nutzen aller.

Das heißt heute: Abschied nehmen vom Wachstumsdenken im Blick auf das immer Mehr und Mehr. Auf das richtige Maß kommt es bei allem an. Alle Übertreibung verwandelt das Gute in Gift für uns und tötet, macht zuerst krank und dann tötet es, wenn man noch mehr davon nimmt.



Eine Übertreibung ist es auch, wenn wir aus Menschen Teufel machen, die alles Böse, was wir erleben oder von dem wir hören, zu verantworten haben, und wenn wir meinen, wenn sie nur besiegt wären, dann wäre die Welt wieder in Ordnung.

Für Luther und die Seinen war es der Papst in Rom und umgekehrt auch. Nach nun mehr als 500 Jahren gibt es uns beide noch und wechselseitig wird, so scheint es mir, beim Gegenüber mehr das Gute und Vorbildliche gesehen, als das Negative. So verstehen wir uns heute als Schwestern und Brüder im Geiste Jesu. Alles, was uns über Jahrhunderte getrennt hat und wovon mir meine Mutter noch erzählt hat, die als Evangelische im katholischen Ruhrgebiet aufgewachsen ist und als Kind erlebt hat, dass andere Kinder ihnen entsprechende Sprüche hinterher riefen, das ist mehr als 80 Jahre her und heute gar nicht mehr vorstellbar, das lasst uns auch für die heutigen Konflikte voraussehen und erbitten, die heute unsere Gesellschaft und Welt zu zerreißen drohen! Amen.

Gebet

Gütiger Gott, wir kommen zu Dir mit unseren Sorgen und Nöten. Sei Du unsere Zuflucht und Stärke, unsere Hilfe!

Die Angst geht um in unserem Land: Wie werden wir den Winter überstehen? Worüber wir uns viele Jahre keine Gedanken machen mussten, das ist jetzt durch den Krieg auf einmal ein Problem. Herr, nimm uns die Angst!

Wir danken Dir für diesen wunderschönen Herbst, für das Gelb und Rot der Blätter und Bäume, für die warmen Nächte und Tage und dass sie noch anhalten sollen. Herr, wo wir Menschen versagen, da kannst Du für Hilfe sorgen.

Wir bekennen: Du Gott bist unsere Zuflucht und Stärke, unsere Hilfe in Nöten!



Jesus Christus – Du bist unser Vorbild im täglichen Kampf. Bleib Du uns vor Augen, wenn Menschen verteufelt und beschimpft werden. Du bist zu den Sündern gegangen und hast Dich mit ihnen an einen Tisch gesetzt und mit ihnen geredet und Gemeinschaft gehabt. Bitte schütze uns davor, dass wir Menschen in Gruppen einteilen und sie nur als Vertreter ihrer Gruppe, ihrer Familie, ihres Volkes, ihrer Religion, ihrer Partei sehen und nicht mehr als Menschen mit einer Kindheit, einer Jugend, mit Liebe und Arbeit, die vor sich das Altwerden und Sterben sehen. Du bist für uns alle da. Wir bekennen: Du Gott bist unsere Zuflucht und Stärke, unsere Hilfe in Nöten!



Heiliger Geist verbinde uns als Schwestern und Brüder zu einer Gemeinschaft weltweit und auch hier bei uns im Land und in der Gemeinde! Hilf uns, alles Trennende zu überwinden und einander zu verstehen, indem wir uns gegenseitig unsere Geschichten erzählen und einander zuhören. Hilf uns, all das loszulassen, was wir nicht wirklich zum Leben brauchen, ja, was eigentlich eine Last für uns ist, loszulassen von dem Zuviel und dem Streben nach immer mehr und mehr.

Hilf uns die Gaben zu nutzen, die wir haben zum Nutzen aller. Dank sei Dir dafür!

Wir bekennen: Du Gott bist unsere Zuflucht und Stärke, unsere Hilfe in Nöten!



Dreieiniger Gott, wir bitten Dich um Frieden bei uns in Europa und überall da, wo Krieg ist. Auch wenn sich zurzeit die Fronten verhärten und immer mehr gedroht wird, selbst mit Atomwaffeneinsatz, Du kannst den Krieg beenden. Du bist der Herr über Leben und Tod. Du sagst, wann Schluss ist.

Du zeigst das auch den Mächtigen und Mächtigsten. Auch sie sind allein auf Deine Gnade angewiesen und ihre Stärke ist wie nichts vor Dir. Du bist der Schutz aller Bedrohten, aller Flüchtlinge, Waisen und Witwen, aller Schwachen. Dir vertrauen wir: Wir bekennen: Du Gott bist unsere Zuflucht und Stärke, unsere Hilfe in Nöten! Vater unser....

1Evangelisches Gesangbuch, (EG) Nr. 725

2Evangelisches Gesangbuch, (EG) Nr. 362

 

 

Predigt am 19. Sonntag nach Trinitatis, dem 23. Oktober 2022 in der Dorfkirche Ahrensfelde über Markus 2,1-12

 

Und nach etlichen Tagen ging Jesus wieder nach Kapernaum; und es wurde bekannt, dass er im Hause war. Und es versammelten sich viele, sodass sie nicht Raum hatten, auch nicht draußen vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort. Und es kamen einige, die brachten zu ihm einen Gelähmten, von vieren getragen. Und da sie ihn nicht zu ihm bringen konnten wegen der Menge, deckten sie das Dach auf, wo er war, gruben es auf und ließen das Bett herunter, auf dem der Gelähmte lag. Da nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: „Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.“

Es saßen da aber einige Schriftgelehrte und dachten in ihren Herzen: Wie redet der so? Er lästert Gott! Wer kann Sünden vergeben als Gott allein?“

Und Jesus erkannte alsbald in seinem Geist, dass sie so bei sich selbst dachten, und sprach zu ihnen: „Was denkt ihr solches in euren Herzen? Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin? Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, Sünden zu vergeben auf Erden“ – sprach er zu dem Gelähmten: „Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh heim!“

Und er stand auf und nahm sogleich sein Bett und ging hinaus vor aller Augen, sodass sie sich alle entsetzten und Gott priesen und sprachen: „Wir haben solches noch nie gesehen.“



Liebe Gemeinde,

was würden Sie auf die Frage Jesu antworten: „Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: 'Dir sind Deine Sünden vergeben' oder zu sagen: 'Steh auf, nimm dein Bett und geh umher?“

Nun, da ich beide Male etwas sage, ist es gleich schwer. Die Frage ist, wie ich mit der Konsequenz umgehe, was danach passiert. Wenn ich zu einem Gelähmten sagen würde: „Steh auf, nimm deine Liege und geh umher!“ - da würde gar nichts passieren. Der Gelähmte würde nicht geheilt, aber ich wäre blamiert und er wäre sicher verletzt oder würde zumindest den Kopf über mich schütteln.

Wenn ich als Pastorin ihm aber sagen würde: „Dir sind deine Sünden vergeben“, weil Jesus seinen Jüngern die Vollmacht gegeben hat: „Alles, was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel gelöst sein.“1 , so würde es diesem Menschen vielleicht seelisch etwas besser gehen, wenn ihn innerlich eine Schuld quält. Und so machen wir es ja auch in unseren evangelischen Kirchen. Wir sprechen miteinander das Beichtgebet oder nehmen die Einzelbeichte in Anspruch und hören dann die Absolution: „Dir sind deine Sünden vergeben.“

Nun, in unserer Geschichte fragten sich die Schriftgelehrten: „Wie redet der so? Er lästert Gott! Wer kann Sünden vergeben als Gott allein?“ Die meisten von uns werden noch kein Strafverfahren am Halse gehabt haben und darum jetzt auch nicht im Blick haben, aus welchen Bestandteilen es besteht. Doch das kann leicht passieren, zum Beispiel beim Autofahren. Kurz nach Ostern passierte es auf der Mehrower Allee. Ein Mann wurde beim Fahrradfahren über die Kreuzung in Höhe des Mittelstreifens von einem PKW erfasst und brach sich vier Rippen. Der junge PKW-Fahrer gab sofort seine Schuld zu und bemühte sich um den Verletzten. Er war nervös geworden, weil er aus der Seitenstraße kommend, nicht über die Kreuzung kam und als von links gerade frei war, guckte er nach rechts, ob da was kam und sah den Mann mit dem Fahrrad nicht, der links auch über die Kreuzung fuhr. Das kann passieren und der Mann, selbst auch Autofahrer, war ihm deshalb nicht böse. So stellte er, als er gefragt wurde, auch keine Strafanzeige. Natürlich kam die Polizei zum Unfallort und nahm die Sache auf, auch der Notarztwagen. Nun den Schaden, das kaputte Fahrrad und die ärztliche Behandlung, auch Schmerzensgeld bezahlt die Haftpflichtversicherung . Der junge Mann kam noch einmal extra am nächsten Tag mit Blumen und hat um Entschuldigung gebeten. Aber damit war die Sache für ihn nicht erledigt. Das wusste er auch. Auch wenn keine Strafanzeige von Seiten des Verletzten erfolgt, muss er doch mit einer von Seiten der Justiz rechnen, also mit einer Strafe und mit einer Rechnung über Gerichtskosten.

Der Staat, die Parlamente erlassen Gesetze und wollen absichern, dass sie auch von allen Bürgern eingehalten werden und darum werden Strafen festgelegt für den Fall, dass dies nicht geschieht. Wir wissen: Dafür gibt es Gerichte, die Richter, die das Strafmaß festlegen.

Was viele aber nicht wissen, ist, dass man danach noch um Begnadigung bitten kann, also bei der zuständigen Stelle einen solchen Antrag stellen kann und das nicht nur für einen selber, sondern auch für andere Personen.

Für die Schriftgelehrten zurzeit Jesu war klar, dass die Gesetze, um die es ging, von Gott stammten. Gott hatte sie Mose gegeben und da standen auch die Strafen, die bei Nichteinhaltung zu erteilen waren. Und klar war auch, dass allein Gott Gnade vor Recht ergehen lassen konnte, und dass hieß „Sünden vergeben“, so dass man die Strafe nicht zu ertragen hatte.

Wenn Jesus also sagt: „Dir sind Deine Sünden vergeben, so stellt er sich an die Stelle Gottes. Er spricht im Namen Gottes.

Nun, wenn wir über Vergebung reden, dann ja meist bei zwischenmenschlichen Konflikten. Ich las dieser Tage Werbung für das neueste Buch von Margot Käßmann mit dem Titel „Vergebung. Die befreiende Kraft des Neuanfangs.“ Da heißt es: „Margot Käßmann „weiß, wie schwer es ist, zu vergeben, wenn einem Unrecht getan wurde. Und doch ist es der einzige Weg, Frieden zu finden. Denn die Wut und der Schmerz schaden vor allem uns selbst – und nicht dem Täter oder der Täterin. In diesem Buch zeigt die Bestseller-Autorin Wege auf, wie Vergebung gelingen kann.“2

Hier geht es also nicht darum, dafür zu sorgen, dass bestimmte Gesetze eingehalten werden und deshalb Strafen verhängt werden, die auch aus Gnade im Einzelfall erlassen werden können. Stattdessen geht es um Heilung wie auch in unserer Geschichte, jedoch in anderer Weise. Es handelt sich offensichtlich nicht um Probleme, die ich von einem Gericht klären lassen kann, sondern um Verletzungen, die wir Menschen uns täglich antun. Und wenn wir sie doch wie bei einer Ehescheidung vor Gericht bringen, dann ist noch nicht gesagt, dass wir anschließend zufrieden sind mit dem Ergebnis und eben unseren inneren Frieden wieder erlangt haben. Eher besteht die Gefahr, dass wir noch mehr Verletzungen durch die Auseinandersetzung erfahren haben.

Und wenn wir stattdessen versuchen, den Konflikt zu begraben, zu vergessen, ihm aus dem Weg zu gehen, indem wir bestimmte Personen meiden, so funktioniert das auch in der Regel nur mangelhaft, denn der Konflikt schwelt im Untergrund weiter und kann mich und andere krank machen. Das Bauchgefühl zeigt an: Da stimmt etwas nicht.

Margot Käßmann und viele andere, die einem helfen wollen, inneren Frieden und so Heilung zu finden, meinen es gut. Allgemein wird heute gesagt: „Sieh zuerst einmal zu, dass es dir selbst gut geht /wieder gut geht.“

Im Vaterunser geht es auch um Vergebung. Wir versprechen genau diese Vergebung, aber nachdem wir selbst Gott um Vergebung unserer Schuld gebeten haben. Zuerst sollen wir an unsere Schuld denken, ehe wir von der der Anderen sprechen. Normalerweise ist es genau umgekehrt: Wir sehen, was andere Falsches und Schlimmes getan haben, aber wir selbst meinen doch eigentlich in Ordnung zu sein. Wie Jesus sagt: Den Splitter im Aug des anderes sehen wir, aber nicht den Balken im eigenen.3

Doch gibt es auch immer wieder die Notwendigkeit, Verstöße gegen die Regeln des menschlichen Miteinanders durch andere anzusprechen und genau in diesem Zusammenhang gibt Jesus seinen Jüngern die Vollmacht zu binden und zu lösen. So heißt es vorher bei Matthäus „Sündigt dein Bruder, so geh hin und weise ihn zurecht, zwischen dir und ihm allein. Hört er auf das, so hast du deinen Bruder gewonnen. Hört er nicht auf dich, so nimm noch einen oder zwei zu dir, damit jede Sache durch zwei oder drei Zeugen Mund bestätigt werde. Hört er auf die nicht, so sage es der Gemeinde. Hört er auf die Gemeinde nicht, so soll er für dich sein wie ein Heide und ein Zöllner.“4 Und dann erst wird von Jesus die Vollmacht verliehen zu binden und zu lösen, also an der Stelle Gottes zu vergeben oder auch nicht zu vergeben, Gnade zuzusprechen und die Strafe zu erlassen oder auch nicht.

Die Schriftgelehrten in unserer Geschichte haben Recht: Jesus spricht im Namen Gottes, als Gott! - als er zu dem Gelähmten sagte: „Dir sind deine Sünden vergeben.“ Er spricht zu ihm als jemand, der ihn kennt, wie nur Gott uns kennt, der auch unsere geheimsten Gedanken weiß, und nicht etwa, weil für ihn Krankheit und Behinderung generell etwas mit Schuld zu tun hätten und eine Strafe seien.5

Und weil Jesus hier als Gott spricht, darum kann er in seiner Kraft als Schöpfer diesen Gelähmten heilen.

Was ist leichter für Gott, zu heilen oder zu vergeben? Was ist die Antwort auf Jesu Frage? Schwerer ist es für Gott zu vergeben, das zeigt der im Markus-Evangelium so ausführlich geschilderte Weg Jesu nach Jerusalem zum Kreuz, den er so bewusst ging, im Wissen darum, was kommen würde.

Für uns ist es oft viel leichter. Wir vergeben, wenn wir zum Beispiel wissen: Das könnte mir auch passieren – wie dem Autofahrer beim Übersehen eines Fahrradfahrers. Wir vergeben auch oft jemandem, um unsere Ruhe zu haben, weil es sich nur um Kleinigkeiten handelt, die unser Verhältnis zu anderen Menschen belasten könnten. Und wir sind geneigt, jemandem zu vergeben, wenn wir meinen, ihn verstehen zu können. Die schlechte Kindheit, die mangelnde Bildung, die Folgen der Arbeitslosigkeit, Sorgen, Belastungen - die sind die eigentlich Schuldigen! Wenn wir das tun, dann tun wir auch etwas für uns selbst, für unser eigenes Wohlergehen und inneren Frieden.

Zu wenig haben wir oft im Blick, dass es auch um ein Miteinander in unserer Gemeinschaft geht, das Gott gefällt, das den Gesetzen, die Gott uns gegeben hat entspricht und unsere Gemeinschaft festigt. Dazu gehört für uns als Gemeinde Jesu auch, dass wir offen bleiben für Neue, für Fremde – aus allen Völkern - , für Kranke, ja auch für Sünder – so wie Jesus es tat. Das ist eine ungeheure Aufgabe und Herausforderung.

Wie Jesus uns, seinen Nachfolgern die Vollmacht gegeben hat, zu „binden“ und zu „lösen“, Gnade vor Recht ergehen zu lassen oder auch Recht zu bekräftigen und zu schützen, so auch zu heilen /Menschen zu heilen. Wir dürfen ihnen Gemeinschaft anbieten, sie mit Gottes Wort bekannt machen, mit der Wahrheit über unser Leben, einander in Liebe begegnen. All das allein kann schon heilend wirken. Und in all den Konflikten unseres Lebens und der Gesellschaft dürfen wir darauf vertrauen, dass das oberste Gericht, die letzte Instanz das Jüngste Gericht Gottes ist. Denn alle menschlichen Richter und Gerichte können sich irren, können auch korrumpiert sein oder auch schlechte Gesetze haben, nach denen sie richten müssen, ja sogar verbrecherische Gesetze.

Auf Gottes Gericht aber dürfen wir vertrauen – jetzt schon und einst. Er allein kennt die ganze Wahrheit. Er allein hat den Überblick über alles. Er verlangt von uns nicht, dass wir das auch haben müssten. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ - das mutet er uns zu. Ja, wir sollen unseren Frieden finden, indem wir vergeben – und auch indem unseren Nächsten, denen Unrecht geschieht – auch durch uns – endlich ihr Recht anerkannt wird und das Unrecht zur Sprache kommt. Auch um uns dies immer wieder vor Augen zu führen, feiern wir das Heilige Abendmahl wie heute. Amen.

Fürbittengebet:

Jesus, Du hast uns zu Deinen Schülern und Nachfolgern berufen. Du traust uns so viel zu! Schenke uns die innere Kraft dazu, die Weisheit, die Liebe. Wenn wir gleich nach dem Gottesdienst zur Gemeindeversammlung zusammenkommen, so lass es in Deinem Geiste geschehen. Segne alle Bemühungen, in Deinem Geiste als Gemeinde zu leben und von Dir zu zeugen.

Du lädst uns ein an Deinen Tisch und miteinander Brot und Kelch zu teilen im Gedächtnis an Dein letztes Mahl vor Deiner Verhaftung. Herr, Du hast so viele Menschen geheilt und bist doch als Unruhestifter vor Gericht gestellt worden. Wir bitten Dich für alle, die in Parlamenten und Synoden Gesetze beschließen, und für all jene Juristen und Polizisten, die für ihre Einhaltung zu sorgen haben. Schenke Ihnen Weisheit, Mut und Beharrlichkeit, das für Recht erkannte auch durchzusetzen.

Wir bitten Dich um Frieden, Frieden im eigenen Herzen im Vertrauen auf Dich und dass uns hier der Frieden erhalten bleibt und wieder Friede werde, wo mit Waffen aufeinander geschlagen wird. Erbarme Dich der Flüchtlinge, der Trauernden und ebenso der Politiker, auf deren Handeln es ankommt. Amen



1 Mt. 18,18

2Werbetext im Katalog von Vivat! - s: https://www.vivat.de/margot-kaessmann-vergebung-2378008/

3Matthäus 7,4f

4Matthäus 18,15ff

5S. die Diskussion wegen der Heilung des Blindgebornen Johannes 9


 

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Predigt am 19. September in der Dorfkirche Ahrensfelde über Jesaja 12

 

Predigt am 29. Mai 2022 in der Dorfkirche Ahrensfelde über Römer 8,26-30

Predigt am 1. Mai 2022 in der Kirche zu Blumberg über Johannes 21,15-19:

 

Predigt am 17.10.2021 in Ahrensfelde über Micha 6,8: Was ist gut? - Haben wir heute ein Problem damit?

 

Predigt am 10.10.2021 in Blumberg über den Jakobusbrief 5,13-16: Für Kranke beten und ihnen die Hände auflegen?

 

Predigt am 19. September 2021 in der Dorfkirche Ahrensfelde über 2. Timotheus 1,10b:

 

Predigt am 11. Juli 2021 in der Dorfkirche Ahrensfelde über Matthäus 28,16-20



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Die meisten der hier auf dieser Webseite veröffentlichten Predigten habei ich in der Kirchengemeinde Berlin-Marzahn/Nord gehalten.  Darum hier auch noch meine letzte Predigt dort:

 Predigt im Silvestergottesdienst 2018 zum Abschied von der Gemeinde Marzahn/Nord,

- da frei von mir gehalten, nun nachträglich noch mal so aufgeschrieben, wie ich es habe sagen wollen -

 

über Johannes 8,31-36:

Da sprach nun Jesus zu den Juden, die an ihn glaubten:Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“

 Da antworteten sie ihm: „Wir sind Abrahams Nachkommen und sind niemals jemandes Knecht gewesen.  Wie sprichst du dann: Ihr sollt frei werden?“

 Jesus antwortete ihnen und sprach: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht. Der Knecht aber bleibt nicht ewig im Haus; der Sohn bleibt ewig. Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei.“


Liebe Gemeinde,

schon dreimal hatte ich über diese Sätze hier Silvester zu predigen, über diese Worte, die so gar nicht zu einer Silvesterfeier zu passen scheinen. Heute am Ende meines Dienstes möchte ich darauf zurückblicken.
1994 war es das erste Mal. Ich habe über Freiheit nachgedacht. Unsere Kinder waren noch in der Grundschule und ich hatte die Erfahrung, wie es ist, Rechtschreibung zu üben. Es gibt Regeln, die man sich einprägen muss, man hat nicht die Freiheit, das einfach anders zu machen.Ein falsch geschriebenes Wort wird immer und immer wiederholt, bis es sich eingeprägt hat. So hieß es: „Übung macht den Meister.“ Dann aber passiert es beim Schreiben, dass man etwas, was bisher immer richtig war, auf einmal verkehrt geschrieben wird. Das sah ich als Bild, wie es uns im neuen Jahr möglicherweise ergehen wird: Wir nehmen uns vor, es nun besser und richtig zu machen, aber wir werden neue Fehler machen, die uns bisher nicht passiert sind. Regeln sind wichtig für das Miteinander, wenn wir gut miteinander auskommen wollen. Jesus ist ein geduldiger Lehrer, der uns, seinen Schülern, zutraut, sie zu lernen und dadurch frei zu sein und Mut zu haben, für die neue Übungsrunde, die das neue Jahr für uns bedeutet.

 Unsere für die Predigt vorgeschlagenen Texte wiederholen sich alle 6 Jahre. Im Jahr 2000 war ich aber nicht dran, den Gottesdienst zu halten, wohl aber 1999. An diesen Abend erinnere ich mich noch sehr gut. Von jungen Männern, die wir eine Zeit lang hier aufgenommen hatten, hatte ich schon ein paar Jahre vorher gehört, dass an diesem Abend in Rio de Janeiro die größte Silvesterparty der Welt stattfinden würde, um das Jahr 2000 zu begrüßen. Die katholische Kirche hatte ein Heiliges Jahr ausgerufen. So war ich auf die Idee gekommen, das Jahr hier in Marzahn in ökumenischer Gemeinschaft zu begehen. Wir haben das Fest Mariä Empfängnis gemeinsam in großer Runde in der katholischen Kirche im Gemeindesaal gefeiert. Beim gemeinsamen Johannisfeuer, der Feier des 2000. Geburtstages Johannes des Täufers in der Maratstraße, waren wir dann schon weniger. Für die Adventszeit hatten wir uns vorgenommen, wie in der Anfangszeit unserer Gemeinden uns gegenseitig in die Familien einzuladen. Ganze zwei Einladungen kamen zustande, die dann auch noch kurz vorher abgesagt wurden. Silvester wollten die meisten zur großen Feier am Brandenburger Tor. Mein Anliegen war, dass unser Gemeindezentrum an diesem Abend offen sei und Licht aus den Fenstern leuchte. Wir luden ein zu gemeinsamen Gebet und Gesang und waren ganze zwei hier: ich und ein Alkoholkranker, der an diesem Abend aber nüchtern war und die Orgel spielte, während ich hier vorn Kerzen anzündete und gebetet habe. Draußen war so ein Nebel, dass man die Hand kaum vor Augen sehen konnte. So konnte auch keiner, der eventuell doch hier vorbei gekommen ist, sehen, dass hier drinnen eine Andacht stattfand.

Nun, nach 18 Jahren naht sich bald das Jahr, in dem wir 2000 Jahre Gedenken an Jesu letztes Abendmahl , seine Kreuzigung, seine Auferstehung, Himmelfahrt und die Gründung der ersten Gemeinde zu Pfingsten gedenken können. Ob es im Jahr 2030, wie in unserem Kalender angenommen, oder im Jahr 2033 zu feiern ist, darüber diskutieren noch die Gelehrten. Ich denke, wir können angesichts der Größe dieses Ereignisses auch vier Jahre lang in ökumenischer Gemeinschaft feiern.

2006, als ich wieder über diese Worte Jesu im Joahnnesevangelium zu predigen hatte, begann ich mit dem Rückblick auf Heiligabend. Da waren so viele hier und mancher sagte: „Na, dann bis zum nächsten Jahr wieder am Heiligen Abend.“ Jesus aber geht es um das Bleiben. Er will uns nicht nur äußere, sondern auch innere Freiheit, ermöglichen, das heißt auch die Freiheit von Zukunftsangst. 2007 stand die Mehrwertsteuererhöhung auf 19 Prozent an. Das war mit Ängsten verbunden, ob dann die Preise auch entsprechend steigen würden und man demnächst noch das Nötige bezahlen könne.

Im Jahr 2012 habe ich die Predigtgedanken von 1994 noch mal aufgenommen und über das Lernen nachgedacht. Jesus möchte, dass wir zu unseren Fehlern stehen: „Ja, ich habe etwas falsch gemacht und nur ich bin dafür verantwortlich. Niemand anderes.“ Er möchte, dass wir die Wahrheit anerkennen und uns die Last der Schuld abnehmen. Er sagt: „Sonst bleibst du der Sünde Knecht.“ Damit möchte er Lust machen, nicht mehr Knecht zu sein, sondern Sohn. „Denn ein Sohn bleibt im Haus des Vaters.“

Und nun 2018? Im Sommer anlässlich der Zeitreise habe ich mit Fritz Müller über die Sünde und die Bedeutung des Todes Jesu disputiert. Er wollte heute eigentlich hier sein, aber ich sehe ihn jetzt nicht.1 Am nächsten Sonntag wird er im Gottesdienst anlässlich des Epiphaniasfestes sein und zu seiner Ausstellung hier etwas sagen, in der die drei Könige auf dem Weg zur Krippe im Mittelpunkt stehen.

Meine Überzeugung ist, dass es Regeln geben muss und sie klar und deutlich benannt werden müssen. Deshalb haben wir im Jahr 2010 auch unser Höflichkeitsprojekt begonnen, weil so einfache Regeln des Miteinanders, dass man sich grüßt, wenn man sich kennt und begegnet, nicht mehr selbstverständlich waren. Es sind Regeln, die wir als Kinder schon lernen und ohne die das Leben zur Hölle wird, wenn wir uns nicht danach richten. Doch wenn wir Erwachsenen es meinen, nicht mehr nötig zu haben, uns daran zu halten, woher sollen es die Kinder lernen?

Nun haben wir heute ja keinen Mangel an Regeln und Gesetzen. Kurz vor Weihnachten hatten wir hier im Haus auf einmal eine Hygieneinspektion und daraufhin ein Merkblatt von 3 Seiten eng beschrieben mit den Regeln bekommen, die es einzuhalten gilt. Es war so viel, dass ich bis heute nicht die Nerven hatte, mir das alles durchzulesen. Regeln sind wichtig, aber es kommt auch auf das Maß an. Zu viele kann man sich nicht merken. Da braucht man dann Spezialisten, die nichts anderes zu tun haben, als auf ihre Einhaltung zu achten. So gibt es ja auch für jeden Fachbereich Spezialisten. Dort, wo viele Menschen sind, ist die Einhaltung von Hygienevorschriften natürlich wichtig.

Gott aber hat uns nur wenige Grundregeln gegeben: die zehn Gebote. Jesus hat sie noch einmal zusammengefasst und auf drei reduziert: „Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und allen deinen Kräften und deinen Nächsten wie dich selbst.“ Gott zu lieben, den Nächsten zu lieben - und uns selbst lieben dürfen wir auch.

Dazu hat er uns die Vergebung ans Herz gelegt. „Wenn jemand dagegen verstößt, reicht es, dass ich ihm 7 mal vergebe?“ hatte Petrus Jesus gefragt und die Antwort bekommen: Nicht 7 mal, sondern 7 x 70 mal.“ Das heißt doch: immer.

Wir hören gleich den Solo-Gesang „Drei Könige wandern aus Morgenland, o wandere mit. Der Stern des Friedens erhelle dein Ziel, wenn Du suchst den Herrn – und fehlen Weihrauch, Myrrhe und Gold, schenke dein Herz dem Knäblein hold.“ 2 -
Wandere mit, der Stern des Friedens, der Stern der Gnade erhelle dein Ziel! – Wo von Gnade die Rede ist, da werden Regeln bestätigt. „Gnade vor Recht ergehen lassen“ ist ein Ausspruch, der das beschreibt. Regeln und Recht benötigen den Hinweis auf das, was folgt, wenn sie nicht eingehalten werden: eine Strafe / ein Nachteil, der motiviert, die Regeln ernst zu nehmen.

 

Gnade ist ein Erlass dieser Strafe, dieses Nachteils, von Seiten des unabhängigen Richters. Vergeben aber kann nur der Geschädigte, einmal der, dem dadurch ein Nachteil, ein Schmerz, ein Unheil zugefügt wurde und einmal der, der das Gesetz beschlossen und die Regel formuliert hat und darin nicht ernst genommen wurde, dessen Ansehen und Autorität also Schaden genommen hat.

So bitten wir Gott um Vergebung, wenn wir nun miteinander das Heilige Abendmahl feiern und hören, dass er unsere Regelverstöße nicht auf die leichte Schulter nimmt, nach dem Prinzip: „Ist schon gut, war nicht so schlimm, ist schon vergessen.“, sondern dass er es sich sehr viel hat kosten lassen: sein eigenes Leben, ja das Leben seines einzigen geliebten Kindes – und das ist noch viel mehr als das eigene Leben! Es ist die höchst denkbare Steigerungsform! Mit dieser bekräftigt er die Gültigkeit der Regeln, gegen die wir verstoßen haben.

Eins solche Gnade zu empfangen, wird unser Herz berühren und es öffnen für Jesus, dieses Kind, das „Knäblein hold“, diesen Mann aus Nazareth. Lasst uns ihm folgen. Amen.

1 Er war aber anwesend.

2 "Drei Könige wandern ins Morgenland" von Peter Cornelius