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In der Bibel werden unterschiedliche Meinungen bzw. Darstellungen von Ereignissen zugelassen. Darum ist das Nebeneinanderstehen von verschiedenen Versionen einer einzigen Geschichte für uns Heutige oft ein Problem, das uns an der Wahheit der Heiligen Schrift zweifeln lässt. Lieben wir es doch eindeutig. Ausserdem wollen wir genau wissen, wann und wo etwas stattgefunden hat, nur dann ist es für uns wahr. Genau darüber aber schweigt die Bibel sehr oft. Stattdessen werden unterschiedliche Sichtweisen ein und desselben Geschehens überliefert, so viermal das Leben Jesu in den Evangelien und dazu noch die Briefe des Paulus mit einigen wenigen Aussagen ueber diese Zeit.
 
Die Geschichte der Könige Judas wird zweimal überliefert, einmal gemeinsam mit der Geschichte der Könige Israels und einmal ohne diese in den Chronick-Büchern. Die Schöpfungserzählung steht gleich auf den ersten Seiten der Bibel doppelt, einmal als Erschaffung der Welt in sechs Tagen und dem siebenten Tag als Ruhetag, dann diejenige von Gott als einem Handwerker, der aus Erde den Menschen formt und ihm seinen Geist einhaucht. Den Höhepunkt findet dieses anerkennen unterschiedlicher Sichtweisen in der Noahgeschchte. Zwei Erzähler fallen sich bei ihr immer wieder gegenseitig ins Wort. Der eine erzählt von zwei Tieren, die Noah von jeder Art mit in die Arche nahm, der andere, dass er sieben von den reinen Tieren nahm und zwei von den Unreinen.
 
Auch unsere Weihnachtsgeschichte hat zwei völlig verschiedene Versionen. Bei Matthäus steht Josef im Mittelpunkt. Mit ihm spricht Gott durch Engel und Träume. Der Weg der Familie führt von Bethlehem durch die Flucht nach Ägypten und von dort nach Nazareth im Norden. Ganz anders Lukas: Die Familie wohnt in Nazareth und kommt nur aufgrund der Volkszaehlung nach Bethlehem und kehrt von dort über Jerusalem wieder zurück nach Nazareth in Galiläa. Im Mittelpunkt der Handlung steht diesmal Maria, die Mutter Jesu.
 
Für uns moderne Leser ist das verwirrend und erzeugt Glaubenszweifel. Dabei geht es nicht um richtig oder falsch. Wer hat recht? Lukas oder Matthäus? Stattdessen wird unser Blick vom Unwesentlichen auf das Wersentliche gerichtet und darin sind sich Matthäus wie Lukas einig: In Jesus kam Gott auf unsere Welt und war als solcher nicht willkommen. Es war kein Platz für ihn. Vor allem fühlten sich die Herrschenden von ihm bedroht. So teilt Gott das Schicksal der kleinen Leute auf dieser Welt, in der es scheinbar immer um Geld (Steuern) und Macht geht. Und doch ist das Leben dieser Menschen eingebunden in die ganz grosse Weltpolitik durch die Nennung der Namen des römischen Kaisers, durch den Hinweis auf die Erscheinung des Sterns und die Nennung von Königen und Statthaltern. Von Befreiung ist die Rede, von Rettung.
 
So fiel es dem Volk zu allen Zeiten nicht schwer aus diesen zwei unterschiedlichen Geschichten eine Harmonie zu machen und so eine dritte Geschcihte zu erzählen, in der sowohl die Hirten wie die drei Weisen aus dem Morgenland ihren Platz haben. Denn inhaltlich, von ihrer Botschaft her, entsprechen sich beide Geschichten.
 
Da in früheren Zeiten diese Botschaft wichtig war, störte man sich nicht an den historischen Ungereimtheiten. Die Botschaft einer Geschichte aber kann erst hörbar werden, wenn sich der Leser/Hörer selbst mit hinein in die Geschcihte nimmt und sich in ihr selbst wieder erkennt, z.B. in dem Vater Josef, der durch die Geburt seines ersten Kindes vor eine so grosse Aufgabe gestellt wird, Frau und Kind durch die Flucht in ein fremdes Land zu retten.
In Predigten wird bis heute genau dies gezeigt, wie diese alten Texte zum Leser/Hörer heute sprechen, was sie uns heute zumuten, wo sie uns Augen öffnen und Wege zeigen, wo bisher keine für uns waren.